Zillerthal-Erdmannsdorf i. Riesengebirge, Krs.Hirschberg

Im Jahre 1927





Die beiden Orte, Zillerthal mit 1170 und Erdmannsdorf mit 1200 Einwohnern, bilden zwar zwei verschiedene Gemeindeverwaltungen, sind aber sonst, besonders geschichtlich, schwer zu trennen.

Erdmannsdorf ist der weitaus ältere Ort. Wohl schon im 13. Jahrhundert war hier ein Adelssitz; die älteste Urkunde stammt freilich erst von 1385. Der Besitz ging durch viele Hände, und 1816 machte sich Gneisenau hier seßhaft, der von den Kalkreuths das Gut Mittel Kauffung eintauschte. Sein Nachfolger im Besitz war von 1832 an der preußische König, welcher wie viele andere Hohenzollern oft hier weilte und ein reges gesellschaftliches Leben hervorrief. In dieser Zeit beginnt nun die Geschichte von Zillerthal.

400 Zillerthaler in Tirol waren seit 1836 Protestanten geworden. Obgleich ihnen Kaiser Franz bei seiner Anwesenheit in Innsbruck Duldung versprochen hatte, wurde sie unterm 2.April 1834 dahin beschieden, daß sie entweder wieder katholisch werden oder auswandern müßten. Da faßten die Zillerthaler den Entschluß, wie einst die evangelischen Salzburger, in Preußen eine Freistätte zu suchen. Wie ihnen das glückte, das hat Fedor Sommer in seinem historischen Roman „ Die Zillerthaler“ mit großer Treue geschildert. Am 2. Oktober 1837 langten die Zillerthaler von Schatzlar her über Michelsdorf in Schmiedeberg an, wohin man sie einstweilen gesandt hatte, weil in Erdmannsdorf die nötigen Einrichtungen noch nicht vollendet waren. Ihr Führer war Johann Fleidl. Der König, der sich in dieser Sache ganz von der Gräfin Reden (siehe unter Buchwald) leiten ließ, bewilligte für die Ansiedlung 22 500 Taler, und 1859 und später noch 12 500 Taler für die Kirche, die 1840 nach Schinkels Plan errichtet worden war, und für die Schule, die schon seit 1838 bestand. 1646 Morgen Land wurden für die Zillerthaler angekauft; die preußische Regierung hatte 141 500 Taler an das ganze Werk der Ansiedlung gewendet. Nach dem Tode Friedrich Wilhelm IV. besaß dessen zweite Gemahlin, die Fürstin von Liegnitz, das Gut. 1908 ging es in Privatbesitz über.

Wunderschön ist der Park mit seinem großen Teich, an dessen Ufer der Unterkiefer eines Walfisches ausgestellt ist. Vor der Kirche ist ein Kreuz errichtet mit einem Tiroler und einem schlesischen Knaben, von Rauch modelliert. Die Häuser der Tiroler in Zillerthal sind heute noch ohne weiteres kenntlich an ihrer Bauart mit der Holzgalerie im Oberstock.

Große Bedeutung für die beiden Orte hatte stets die Flachsgarn-Maschinspinnerei Erdmannsdorf, die der König 1840 durch die Preußische Seehandlung in Berlin auf seiner Domäne errichten ließ, und zwar um den englischen Wettbewerb zu bekämpfen, wie auch um der bodenständigen Einwohnerschaft ein Gegengewicht zu bieten gegen die Unterstützung , welche den Tirolern zuteil geworden war. Die Fabrik ist, wie Karl Schmidt schreibt, ein Stützpunkt des Leinengewerbes geworden, bereitete tüchtige Weber und Spinner vor und war eine Verdienstquelle für die Gebirgsbevölkerung. 1848 schützten die Weber aus der ganzen Gegend die Fabrik gegen eine gerüchtweise angeregte Zerstörung.