Schreiberhau i. Riesengebirge, Krs. Hirschberg

im Jahre 1927



Unter allen Orten des Landkreises Hirschberg nimmt Schreiberhau eine besondere Stellung ein. Nicht deshalb, weil Schreiberhau das größte Dorf des Kreises ist oder weil es sich auf einem Flächenraume aufbaut, auf dem eine Großstadt bequem sich dehnen könnte.

Was Schreiberhau von allen Orten des Hirschberger Kreises unterscheidet und ihm eine Sonderstellung gibt, das ist sein eigenartiger Aufbau, sein starker Fremdenverkehr und die hohe Blüte seiner Josephinenhütte, Deutschlands bedeutendste Kunstglaswerkstätte.

Schreiberhau ist der besuchteste Luftkurort und Wintersportplatz Ostdeutschlands. Mehr als 50 000 Besucher waren es im Jahre 1926, die die Täler und Hänge Schreiberhaus belebten; nicht gezählt die vielen Tausende, die ohne Wohnung zu nehmen den Ort durchwandern. Der Fremdenverkehr ist daher auch die stärkste Erwerbsquelle des Ortes. Nahezu dreiviertel der Bevölkerung ist mittelbar oder unmittelbar von ihm abhängig. In seinen Kur- und Sportanlagen und in seinem Kurbetriebe hat sich der Ort rechtzeitig der Entwicklung des Verkehrs angepaßt. Im Sommer bietet Schreiberhau das Bild eines einzigen großen Gartens. Mittelpunkt des Kurlebens ist der Kurpark, in dem regelmäßig Konzerte eines guten Orchesters stattfinden. - Im Winter bietet Schreiberhau seinen Gästen Sportanlagen für jeden Wintersport in gepflegtem Zustande.

Von hoher Bedeutung für das Wirtschaftsleben Schreiberhaus ist auch die Kunstglasindustrie, die ihren Mittelpunkt in der Josephinenhütte hat. Das Josephinenhütter Glas hat Weltruf; nicht erst seit gestern oder heute. Schon im Gründungsjahre 1842 wurde dem damaligen Leiter Pohl die höchste Anerkennung zuteil. Wann immer in späterer Zeit die Josephinenhütte die großen Ausstellungen beschickte, sie sammelte stets neue Ehren. Das Geheimnis dieser Siege lag und liegt nicht im Material, es liegt vor allem daran, daß infolge der handwerksmäßigen Herstellung sich jeder Glasmacher, Glasschleifer, Graveur, und Maler als Künstler fühlt, es liegt nicht an der Masse, sondern am Geist, der die Arbeit befruchtet, und dieser Geist ist traditionell, denn Schreiberhau ist immer „Glaserdorf“ gewesen.

Schreiberhau verdankt seine Entstehung einzig der Glasmacherkunst. Glasmacher, „Gläser“ waren es, die in die tiefen Wälder zwischen Iser- und Riesenkamm die erste Blöße schlugen und dort eine Glashütte bauten. Viele Male in den sieben Jahrhunderten, seitdem hat die Hütte ihren Platz gewechselt. Wie eine Schnecke hat sie sich am Iserhang entlang gearbeitet, hinter sich kahle, abgeschlagene Stellen freilassend. Bauern aus dem Flachlande besiedelten die freien Pläne und neue Orte entstanden an den verlassenen Plätzen. Erst als eine rationelle Waldwirtschaft einsetzte, die Herrschaft Schaffgotsch die letzten Hütten von Karlstal und Josephinenhütte an der böhmischen Grenze aufkaufte und die neue Josephinenhütte errichtete, fand die Hüttenwanderung ihr Ende. Diese eigentümliche und durch die Verhältnisse bedingte Entwicklung erklärt auch die große Ausdehnung Schreiberhaus, das von Norden nach Süden sich auf über 20 km erstreckt.

Jahrhundertelang war die Glasverarbeitung die Haupterwerbsquelle des Ortes. Vieh- und Waldwirtschaft vorübergehend auch Bergbau und die Herstellung von Musikinstrumenten spielten nur eine untergeordnete Rolle und beeinflußten kaum die Entwicklung des Ortes. Erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts mit der Schaffung besserer Verbindungen erschloß sich eine neue Einnahmequelle, der Fremdenverkehr. Es war nicht immer heilbringend dieses Wasser, das der neuen Quelle entströmte. Aber schließlich erklärten sich mit der erwachenden Reise- und Wanderlust des Deutschen und den immer stärker werdenden Verkehr auch hier die Verhältnisse. Und als 1902 die Eisenbahn die Schreiberhauer Ortsteile erschloß, da hatte der Fremdenverkehr bereits die gleiche Bedeutung wie die Glasindustrie; über 15 000 Gäste wurden im ersten Eisenbahnjahre gezählt. Und diese Entwicklung hat angehalten. Das Fremdengewerbe hat in seiner Bedeutung heute die Schreiberhauer Glasindustrie weit überflügelt, obgleich auch diese in den letzten Jahrzehnten einen starken Aufschwung genommen hat.