Alte Karten berichten über verschwundene Siedlungen.

Auf den Spuren von fünf unbekannten Wüstungsnamen im Kreis Hirschberg

M. Kropp

 

 

Unter Wüstungen versteht man alle einst vorhanden gewesenen Ortschaften, Kolonien, einzelnen Gehöfte, die im Laufe der Jahrhunderte durch Kriege, Brände, Überschwemmungen, verheerende Krankheiten oder wirtschaftliche Schwierigkeiten vernichtet oder verlassen wurden, deren Namen jedoch noch heute, teils durch den Volksmund, teils aus alten Urkunden und Karten bekannt sind.

Ihre Kenntnis ist von großer Wichtigkeit für die Geschichte, besonders für die Sprach-, Wirtschafts-

und Besiedlungsgeschichte einer Gegend. Erst mit ihrer Unterstüzung erhält man ein richtiges Bild  von der kolonialen Tätigkeit und der Dichte der Besiedelung in der Vergangenheit.

Die Feststellungen der Wüstungen ist meistens sehr schwierig. Urkundliche Beweise sind nur spär-

lich und oft gar nicht vorhanden, und man muß sich an volkskundliche Überlieferungen halten. Die vorhandenen Urkunden berichten fast nie etwas über die genaue Lage der Wüstungen. Außerdem führen zahlreiche Orte gleiche Namen, deren Schreibweise sich aber im Laufe der Zeit oft stark veränderte. Zuweilen ging auch eine Siedlung in einer andern auf, und sie verlor dabei ihren alten Namen.

Auf die Gründe des Unterganges zahlreicher Siedlungen kann hier nicht näher eingegangen werden. Nur soviel sei bemerkt, daß die allgemeine Anschauung, Verschwinden von Ortschaften sei stets auf Kriegsverwüstungen zuückzuführen, heute nicht mehr haltbar ist. Die Forschung kam immer mehr zu der Überzeugung, daß in vielen Fällen wirtschaftliche Schwierigkeiten den Untergang der Siedlungen herbeiführten.

Über die Wüstungen in Schlesien sind wir im allgemeinen noch wenig unterrichtet. Obwohl schon eine Reihe Einzeluntersuchungen bestehen, so fehlt doch ein Gesamtüberblick. Er könnte bisher auch nur sehr lückenhaft ausfallen. Unsere Ausführungen befassen sich mit bisher unbekannten Ortsnamen im Kreise Hirschberg, bei denen es sich um Wüstungsnamen handeln dürfte.

Im Kreise Hirschberg waren bisher überhaupt nur drei Wüstungen bekannt. Dies sind QUIRL zwi-

schen Hermsdorf/Kyn. Und  PETERSDORF, von dem nur der Volksmund berichtet, ferner BRONSDORF, das zwischen Giersdorf und Seidorf im „Rothengrunde“ lag (unterhalb des heutigen Bronsdorf) und in einer alten Urkunde erwähnt wird und das im „Liber fundationis“ dem Einnahme-

Register des Breslauer Bistums der Zeit um 1305 genannt HEYNRIZDORF, dessen Lage bisher noch nicht ermittelt werden konnte.

Das Studium alter Karten ergab jedoch noch einige der Forschung anscheinend bisher entgangene Siedlungsnamen, bei denen es sich um Namen von Wüstungen handeln muß, da sie urkundlich nirgends erwähnt werden, und die betreffenden Siedlungen heute nicht mehr bestehen. Die eine der Karten ist die des ehemaligen Herzogtums Jauer von Friedrich Kühnovius, die um 1670 entstanden sein dürfte. Auf dieser ist zwischen Stonsdorf und Lomnitz, in einer Gegend also, in der sich heute Wiesen ausdehnen, eine Ortschaft ALTZENAW eingetragen. Ferner findet man zwischen Berbisdorf  und Hirschber den Ortsnamen STEBNITZ. Um Straupitz kann es sich dabei nicht handeln, da dieses außerdem verzeichnet ist. Schließlich befindet sich auf dieser Karte zwischen Grunau und Bober.

Röhrdorf der heute dort unbekannte Ortsname HAUSDORF.

Bei der anderen Karte handelt es sich um eine Darstellung der ehemaligen Herzogtümer Schweid-

nitz und Jauer von Gottfried Köhler aus dem Jahre 1697. Auf dieser finden sich die eben erwähnten drei Ortsnamen ebenfalls, doch heißt hier ALTZENAW: „Alteschau“. Außerdem sind noch die un-

bekannten Ortsnamen BERBERSDORF zwischen Märzdorf und Giersdorf und ein RÖHRSDORF zwischen Lomnitz und Schildau verzeichnet.

Auf der bekannten, bei Homann in Nürnberg erschienenen Karte des Fürstentums Jauer von Wieland und Schubarth sind alle diese Namen nicht mehr vorhanden.

Diese Siedlungen müßten also etwa zwischen 1697 und 1735 untergegangen sein.

In der im Breslauer Staatsarchiv angelegten Flurnamensammlung findet sich keiner dieser Namen. Dagegen bietet für die Aufklärung der zuletzt genannten beiden Namen (Berbersdorf und Röhrsdorf) das wertvolle Einnahmeregister des BistumsBreslau von etwa 1305 einen Fingerzeig. In diesem wichtigen, unter dem Namen „Liber fundationis“ bekannten Urkundenwerk werden die dem Breslauer Bistum zu Abgaben verpflichteten Ortschaften aufgezählt, und zwar nach Distrikten etwa unseren heutigen Kreisen, geordnet. Im Distrikt von Hirschberg werden u. a. Genannt: Buchwalth, Berthwigisdorf, Matinivilla, Reyngiersdorf und Hertmarsdorf. Die Herausgeber dieses Urkunden-Werkes, Markgraf  & Schulte (erschienen Breslau 1889), erklärten das genannte Berthwigisdorf für Berbisdorf bei Hirschberg und das genannte Reyngiersdorf für Röversdorf bei Schönau und bemerken dazu, daß hier die sonst beobachtete örtliche Reihenfolge völlig fehlt.

Den Herausgebern waren die Wüstungsnamen Berbersdorf und Röhrsdorf nicht bekannt und ihre Erklärungen Reyngiersdorf als Röversdorf und Berthwigisdorf als Berbisdorf nur ein Notbehelf. Eine örtliche Reihenfolge ist jedoch sofort hergestellt, wennman annimmt, daß Berthwigisdorf das auf einer alten Karte eingetragene Berbersdorf (zwischen Giersdorf und Märzdorf) und nicht Berbisdorf ist, da in der Urkunde von 1905 Buchwald vorher und Märzdorf unmittelbar dahinter genannt werden und ja auch auf der Köhlerschen Karte dieses Berbersdorf neben Märzdorf liegt. Das im „Liber fundationis“ genannte Reyngiersdorf dürfte daher auch nicht das heutige Röversdorf bei Schönau, sondern das auf der Köhlerschen Karte eingetragene Röhrsdorf bei Lomnitz sein, da im „Liber fundationis“ sofort Erdmannsdorf folgt. So ist die vermißte örtlcihe Reihenfolge vorhanden:

Buchwalth =  Buchwalth, Berthwigisdorf = Berbersdorf, Martini ville = Märzdorf, Reyngiersdorf = Röhrsdorf b.Lomnitz, Hertmarsdorf = Erdmannsdorf.

Dort, wo das genannte Berbersdorf gelegenhaben müßte, breiten sich heute Wiesen und Teiche aus.

Röhrsdorf lag nach der Köhlerschen Karte zwischen Lomnitz und Schildau. Da diese Dörfer heute unmittelbar zusammenhängen, so kann es sich nur um eine Siedlung an Stelle des heutigen Nieder-

Lomnitz bei Schildau gehandelt haben. Der im „Liber fundationis“ dafür angenommene Ort Reyn-

giersdorf führt dort den Beinamen „sive mons ferreus“, (unter dem Eisenberg), was auf das nahe Schmiedeberg gedeutet werden kann.

Über das zwischen Lomnitz und Stonsdorf auf beiden alten Karten eingetragene Alteschau oder Altzenau ließ sich nichts feststellen. Man muß hier wohl eine alte Siedlung annehmen. Ein Aufgehen in einem Nachbarort ist nicht denkbar, weil Lomnitz und Stonsdorf ziemlich weit abliegen. Interes-

sant ist es immerhin, daß an der Stelle, wo dieses Alteschau gelegen haben müßte, noch jetzt ein einzelnes zu Lomnitz gehöriges Gehöft (eine ehemalige Ziegelei) liegt. Jedoch führt es keinen eige-

nen Namen und soll auch noch nicht 100 Jahre alt sein.

Was die zuerst genannten unbekannten Namen Stebnitz und Hausdorf betrifft, so kann es sich bei beiden wohl nur um kleine Siedlungen gehandelt haben, die vielleicht später in Berbisdorf und Bo-

berröhrsdorf aufgingen, wenn nicht etwa beide Namen lediglich ältere Bezeichnungen für die Orte Berbisdorf und Boberröhrsdorf oder Teile dieser Dörfer darstellen. Es könnte auch sein, daß Haus-

dorf mit dem ehemaligen „festen Haus“ der Wasserburg in Boberröhrsdorf, zusammenhängt. Bei diesen einstigen Siedlungen wird es sich nicht immer um große Dörfer gehandelt haben, denn es gab viele kleine Siedlungen und Kolonien, die einen eigenen Namen führten.

Es sind natürlich Irrtümer der Kartenzeichner Kühnovius und Köhler denkbar, aber wenig wahr-scheinlich. Denn die Karten Kühnovius galten als „wahre Kabinettstücke der darstellungen Geo-

graphie und dürfen sich kühn dem Besten an die Seite stellen, was das 17. Jahrhundert auf dem Gebiete kartographischer Darstellungen geleistet“. (Heyer, Geschichte der Kartographie Schlesiens,

Breslau 1891).

 

 

 

Entnommen aus „Schles.Bergwacht“ 1955