Unheimliche Nächte

von Willi Matzke (1959)



Der Lohmüller Sebastian Daneels galt als ein rechtschaffener und fleißiger Mann. Eine kleine Erbschaft seiner aus dem Jauer`schen stammenden Eltern, hatte es ihm ermöglicht, am Goldwasser unterhalb des Kröbelsberges eine kleine Lohmühle zu errichten. Der Verdienst war bescheiden und seine Frau mußte außer dem Haushalt im Betrieb tüchtig mitschaffen. Aber sie lebten einfach und glücklich. Das Wasser trieb seine Mühle, gab ihnen Fische und Nahrung, eine reichlicher Wildbestand verbesserte den Lebensunterhalt und der große Waldbestand lieferte ihm die erforderlichen Rinden für seine zu verkaufende Lohe. Alles war im besten Einvernehmen.


An seine Tagestafel hatte er für heute das Datum des 18. Oktober 1609 geschrieben. Es war ein regnerischer, nebliger Tag. Sein Gehilfe war nach Hause gegangen, die Tagesarbeit war erledigt. Noch lange saß Daneels mit seinem Weibe am Herdfeuer in der Küche beim Licht des Kienspans, als es heftig an die Haustür klopfte. Erschrocken sahen sich Mann und Frau an, wer konnte zu so später Stunde weitab vom Dorf wohl bei ihm Einlaß fordern, es war noch nie vorgekommen. Zögernd ging er zur Tür um Nachschau zu halten. Auf seine Frage, wer draußen sei, erhielt er keine Antwort. Rasch entschlossen öffnete er jetzt die Tür und sah zu seinem Schreck eine Frau davor liegen, daneben ein Bündel, fest verschnürt. Mit Hilfe seiner inzwischen erschienenen Frau schaffte er jetzt die daliegende Frauensperson in die Küche, um sofort das Bündel nachzuholen. Beide entkleideten jetzt die völlig durchnäßte Frau, die immer noch bewußtlos war, um sie am Feuer aufzuwärmen und auf die daneben stehende Ruhebank zu legen. Während seine Frau das Feuer neu anschürte, packte der Mann das Bündel aus. Hervor kam jetzt ein etwa einjähriges Kind, aber tot, verhungert oder erstickt. Alles war vorläufig ein Rätsel. An ein Schlafengehen war jetzt nicht zu denken. Beide bemühten sich, die auf der Ruhebank liegende Frau zum Bewußtsein zu bringen. Es ging bereits auf den Morgen zu, als wiederum an die Haustür geklopft wurde. Kaum getrauten sich die Müllersleute zu öffnen. Als aber das Klopfen kein Ende nahm und der Lichtschein dem Außenstehenden gesagt hatte, daß die Müllersleute noch wach seien, ging der Müller zur Tür, um sie zu öffnen. Davor stand ein recht finster aussehender Mann und fragte, ob hier diese Nacht eine Frau Einlaß begehrt habe. Nichts Gutes ahnend verneinte dieses der Müller und der Mann ging. Den Müllersleuten wurde aber doch recht komisch zu Mute.


Es war spät am anderen Tage als die auf der Ruhebank liegende Frau erwachte. Eine ihr gereichte warme Suppe verschlang sie mit Heißhunger, um sofort wieder in tiefen Schlaf zu versinken. Inzwischen hatte man den Seidorfer Dorfältesten Gottlieb Kahl von der unheimlichen Sache unterrichtet, er erschien mit dem Schöppen Siegesmund Preller, aber auch diese konnten nicht mit der immer noch schlafenden Frau sprechen. Erst nach drei Tagen war die Frau soweit hergestellt um reden zu können. Nach ihrer Herkunft befragt, antwortete sie ausweichend und gab an, Maria Schön zu heißen, sie stamme aus dem Böhmischen und sei mit ihrem Mann von da aus unterwegs gewesen, um sich diesseits des Gebirges Arbeit und Unterkunft zu suchen. Unterwegs sei ihr Kind gestorben, sie habe es aber mitgebracht, um es hier zu bestatten. Ihr Mann sei unterwegs von einem Wegelagerer erschlagen worden, der auch sie verfolgt habe, sie ihm aber noch entkommen konnte. Als jetzt die Müllersleute ihr mitteilten, daß noch in der gleichen Nacht ein Mann nach ihr gefragt habe, wurde sie ganz kleinlaut. Das Kind wurde beerdigt, die Frau blieb in der Mühle, erholte sich recht gut und half beim Rindenschälen. Aber ständig lebte sie in Angst, sie mußte wohl den Wegelagerer kennen.


So vergingen einige Monate. Die Frau war fleißig, aber wortkarg. Mittlerweile war es Sommer geworden und die Kühe der Lohmühle waren täglich auf der Weide. Maria Schön schaffte sie jeden Morgen hinaus, um sie am späten Abend wieder nach Hause zu holen. Wieder war sie eines Abends hinaus zur Weide, um die Kühe zu holen, aber sie kam nicht zurück, dafür aber die Kühe allein. Es wurde finstere Nacht, Maria aber blieb aus.


Am anderen Morgen ging der Müller auf die Suche. Erdrosselt fand er sie unweit der Weide. Alle Nachforschungen waren in der damaligen ergebnislos. So war ein Jahr vergangen. Wieder war es eines Abends spät, als an die Haustür der Lohmühle geklopft wurde. Der Müller öffnete, davor stand ein Mann, es war der gleiche der damaligen Nacht, als Maria Einlaß begehrt hatte. Er bat um einen nur kurzen Einlaß, der ihm gewährt wurde. Nachdem er einige Zeit schweigsam dagesessen hatte, und die Müllersleute schon glaubten, es mit einem Geistesgestörten zu tun zu haben, begann er zu sprechen: „Maria war eigentlich meine Frau, der von mir damals erschlagene Mann hat sie mir untreu gemacht und beide flohen mit meinem Kinde. Wie ihr wißt, ich habe den irdischen Richter gemacht und für meine Taten will ich auch büßen, morgen erfahrt ihr mehr“. Mit diesen Worten verließ er ohne Gruß das Haus. Am anderen Morgen fand ihn der Müller erhängt unweit seiner Mühle.


Von diesem Tage ab herrschte lange Zeit eine sehr gedrückte Stimmung in der Lohmühle, bis sie am 16. Juli 1612 durch einen Wolkenbruch zerstört und später im Rothengrund neu errichtet wurde.


( Entnommen aus einer alten Niederschrift )


Abschrift aus „Schles.Bergwacht“, SB1959/N35/S604