Sitten und Gebräuche des 16. Jahrhunderts im Riesengebirge

von W. Matzke (1960)



Bist du krank dann geh zumSchafer

hast du Zahnweh, geh zum Bader,

sammle Pflanzen, mach dir Salben,

hol dir Kräuter, koch dir Tee,

flink vergeht dir dein Weh-weh.


So beginnt eine im 16.Jahrhundert über allerlei Sitten und Gebräuche im Riesengebirge verfaßte Niederschrift, wovon viele bis zur Vertreibung gar oft noch üblich waren. Nachstehend ein kleiner Auszug, soweit eine Entzifferung noch möglich war:


Alle Kräuter möglichst vor der Johannisnacht brechen und Tränke bereiten. Auch für Liebesleute.

In allen Sachen das Punktierbuch befragen.

Wer vom Alb geplagt wird, beschwöre die Geister.

Lauft dir eine Katze über den Weg, wirf erst einen Stein über diese Stelle, ehe du weitergehst.


Zum hl,Abendmahl geh nur mit leerem Magen.

Wo es „scheecht“ mach einen Umweg.

Säuglinge dürfen nie auf den Weg vor der hl. Taufe.

Beim Kuhkauf erst ein abgestorbenes Gesangbuch über den Gesundheitszustand befragen.

Jedes Tagewerk mit den Worten – Gott walt`s – beginnen.

Stets darauf achten, daß das Patenkind immer zum Paten – Herr Pate oder Frau Gevatter sagt, bei der Hochzeit die junge Frau das Brotrampftel abschneidet und lebenslang aufbewahrt.

Regnet es der Braut in den Schleier, wird sie reich, aber Tränen folgen.

Aus dem Kaffeegrund laß die die Zukunft sagen.

Bei Gewitter zünde geweihte Kerzen an.

Wenn es spukt, sage – alle Guten Geister loben den Herrn. -

Bei der Apfelernte stets darauf achten, daß ein Stück am Baum bleibt.

Am Sylvesterabend den Zwiebelkalender herstellen und stets Blei gießen, Mädchen Schuhe werfen.

Wenn die Leute in die hl. Christnacht gehen, die Obstbäume prügeln (mit Stöcken schlagen) zwecks neuer guter Ernte, auch die Bäume mit Strohseilen umbinden.

Am hl. Abend dem Vieh im Stall Leckerbissen geben.

Am Karfreitag-Morgen vor Sonnenaufgang aus fließendem Bach Kar-Wasser holen, aber mit neimandem dabei sprechen.

Am Hl.Abend beim Anzünden des Leuchtspans darauf achten, wessen Kopf an der Wand einen Schatten wirft, wer keinen hat, bedeutet Unglück. (Wurde später bei Weihnachtskerzen beibehalten.)

Am Silvesterabend müssen 7 verschiedene Eßsachen auf dem Tisch stehen, jedes muß sich satt essen, von allem etwas übrig bleiben.

Darauf achten, daß am Hochzeitstage bei keinem Trauerhause vorbeigefahren wird und kein Grab offen ist.

Kein Schwalbennest, auch wenn unbewohnt, entfernen.

Ticken in der Wand ist die Totenuhr, möglichst vertreiben.

Im Sterbezimmer alle Bilder verhängen, ein Fenster sofort öffnen.

In den Sarg Handwerkszeug mitgeben, evtl. Wegzehrung.

Das Wasser vom Abwaschen einer Leiche in ein Gefäß füllen und im Wald unter Steinen aufbewahren.

Den Strick eines Erhangenen als glückbringend aufbewahren.

Der Grabebitter muß recht höflich alle Dorfbewohner um Teilnahme zur Beerdigung bitten.

Vor jeder Mahlzeit muß der Hausherr das Tischgebet sprechen.

Am Hl.Abend Zweige von Flieder und Kirschbäumen abschneiden und zwecks rascher Blüte in Wasser stellen.

Der Hochzeitsbitter muß das Brautbouquett ins Wasser stellen, die später vertrockeneten Blumen bis zur Silberhochzeit aufbewahren.

Niemand darf bei Tisch vorher essen, bevor der Hausherr einen Löffel in die Hand genommen.

Von einem selbstgefangenen Maulwurf das Herz abtrocknen und im Geldbeutel stets bei sich tragen.

Stets drei Glücksnüsse bei sich tragen.

Bei Geburtstagen darauf achten, daß das Geburtstagskind stets das erste vom jeweiligen Essen erhält.

Eine Fahnenweihe darf nur ein jungfräuliches Mädchen vornehmen.

Bei jedem Neuanschneiden eines Brotes erst mit dem Messer auf der Rückseite des Brotes ein Kreuz ziehen.

Darauf achten, daß nie ein Schuh auf einem Tisch steht oder Salz verschüttet wird, gibt Zank.

Neue Kleidung nur zum ersten Kirchgang anziehen.

Die ersten Früchte eines Obstbaumes nur von einem Kind ernten lassen.

Einer Henne, welche kräht, an der Stelle, wo sie dieses getan hat, den Kopf abschlagen.

Kleine Unglücks-Eier weit fort werfen.

Beim erst gehörten Kuckucksruf mit dem Geld im Beutel klimpern.

Vom Haar der Braut eine Uhrkette kunstvoll flechten lassen.

Krankheiten übler Art von einer Frau besprechen lassen.

Stets auf den ersten Traum in einer neuen Wohnung achten,deuten lassen, oder nachschlagen im Traumbuch.

Am Hl.Abend den größten Apfel hübsch geputzt an die Decke hängen.

Vor der Flugzeit für einen Stubenwaldgesang 4 verschiedene Waldvögel einfangen und bis zum Frühjahr beherbergen.

Um allem Bösen den Hauszutritt zu verwehren, drei Kreuze über der Tür einbauen, auch evtl an der Türschwelle.

Eine neu beschaffte Katze, Henne oder dergl. erst einmal um das Haus tragen, damit sie dableibt.

Wer etwas verloren hat, zwecks Wiedererlangen den hl. St. Antonius darum bitten.

Wer an einem bestimmten Tage die Uhrzeit nicht verschlafen will, muß beim Schlafengehen den hl. St. Veit um rechtzeitiges Erwachen wie folgt bitten:

Ich bitte Dich du lieber Veit

wecke mich zur rechten Zeit

nicht zu früh und nicht zu spät

wenn die Uhr – halb viere? Zählt.

Bei einem Umtrunk darf nur der Hausherr als erster trinken.

Der Bademutter ist stets ins erste Badewasser ein Geldstück zu legen.

Nie darf abends in einer Stube gekehrt werden, wegen Todesfällen.

Schnittwunden sind sofort mit dem eigenen Urin zu tränken und mit Schusterpech zu verkleben.

Ein Weberlehrling muß bei Antritt einen Löffel „Schlichte“ trinken.

Frühstücksschnaps heißt der - Zahner.

Zu jedem Fiedala Bruut trink a Neegla Koaffee.

Zu Beginn des neuen Jahres muß der Geistliche mit den Kindern Neujahrssingen von Haus zu Haus gehen.

Maiglöckchen wurden getrocknet und zu Schnupftabak gerieben, verwandt bei Kopfschmerzen, oder mit Essig versetzt, zu Umschlägen.

Mit größter Sicherheit wurde durch Pendeln das Geschlecht des zu erwartenden Kindes festgestellt.

Über der Haustür wurden Runen angebracht, durch Werfen von eigenen Stäben kommende Geschehnisse befragt.

Zur Abwendung von Blitzgefahr wurde dicht ans Haus ein Baum gepflanzt.

Zu Aapern ieß Putter un Quoark doas macht stoark, Putter aaleene macht müde Beene.

In Schuhe und Stiefel Flegeldruschstroh einlegen, gibt warme und trockene Füße.

Gar vielen Gebirglern werden die geschilderten Gebräuche nicht unbekannt sein!

Es war einmal, bald wird alles für immer vergessen sein!



Entnommen aus „Schles.Bergwacht“, SB60/N01/S13