Die schlesischen Bergstädte

von Th.K.



Als im 12. und 13. Jahrhundert durch deutsche Siedler dem uralten germanischen Siedlungsland links und rechts der Oder ein deutsches Gesicht gegeben wurde, kamen nicht nur Mönche, Bauern, Handwerker und Kaufleute, sondern auch Bergleute nach Schlesien. Die schlesischen Fürsten waren am Zuzug dieser Fachkräfte besonders interessiert, versprach doch ihre Tätigkeit einen sofortigen und größeren Gewinn, als die Kulturarbeit der Bauern, deren Früchte erst spätere Generationen einheimsen konnten. So sehen wir denn auch unter den ersten Städtegründungen entlang der „Hohen Straße“ einige Bergmannssiedlungen, z.B. Goldberg und Löwenberg. Im Jahre 1209 hatte Herzog Heinrich der Bärtige den beiden Vögten Hartlieb und Thomas den Ort Löwenberg zur Aussetzung nach deutschem Recht übergeben. Mit Goldberg, das 1211 urkundlich zum erstenmal erwähnt wurde, bildete er die beiden Brennpunkte des ältesten deutschen Siedlungsbezirks. Das Goldberg-Löwenberger Goldrecht wurde künftig maßgebend für alle Bergwerke Schlesiens und auch Ostpreußens. Aber auch weiter drinnen, dem Gebirge zu, klangen nun bald die Hämmer der Bergleute, um Gold, Silber, Kupfer, Blei und Eisen dem Schoß der Erde zu entreißen. Trotzdem blieb der Abbau in mäßigen Grenzen, da die technischen Voraussetzungen fehlten, und bald wurden einige Gruben gänzlich still gelegt. Das wurde mit einem Schlage anders, als im 15. Jahrhundert durch Zuzug von meißnischen und erzgebirgischen Bergleuten die verlassenen Bergbaugebiete mit vervollkommneter Schürftechnik neu erschlossen wurde. Überall wurde neu begonnen, und bald blühten die alten Bergbauorte zu freien Bergstädten auf. Das heißt: sie erhielten vom Landesherrn das Stadtrecht in einer besonderen Form. Eine freie Bergstadt besaß Steuer- und Gewerbefreiheit, hatte meistens auch das freie Verfügungsrecht über das gewonnene Metall und das Recht, das benötigte Holz in den Wäldern frei zu schlagen. An der Spitze dieses Gemeinwesens stand der Bergmeister mit 4 Geschworenen, die die Geschicke der Stadt zu leiten hatten. Die Verfassung wurde meistens nach dem Vorbild der beiden deutschen Bergbaustädte in Böhmen, Iglau und Kuttenberg, aufgestellt. Oft wurde auch der Abbau genossenschaftlich durchgeführt, doch bald hatte sich das Großkapital eingeschaltet, und so erfahren wir z.B., daß 1529 die Augsburger Fugger mehr als die Hälfte aller ergiebigen Goldgruben in Reichenstein besaßen. Nach diesem jähen Aufschwung im 15. Jahrhundert war dem schlesischen Bergbau nun wieder ein langsamer Abstieg infolge Erschöpfung der Lagerstätten beschieden, bis schließlich durch den Kohlenabbau und die beginnende Industriealisierung ein neuer Zeitabschnitt beginnt, der aber in diesem Rahmen unberücksichtigt bleiben soll.


Nachfolgend soll nun die Bedeutung und Entwicklung der alten schlesischen Bergstädte im Einzelnen kurz umrissen werden.

GOLDBERG blühte hauptsächlich im 13. Jahrhundert. Bereits im 14. Jahrhundert begann sein Niedergang. 1569, 1576 und 1597 versuchte man vergeblich, den Goldabbau zu intensivieren. Es blieb bis in unsere heutige Zeit hinein nur noch das Symbol des Goldreichtums unserer Heimat.

Auch LÖWENBERG hat sehr bald den Bergbau aufgegeben und hat auch nie wieder eine Bedeutung erlangt.

Anders dagegen REICHENSTEIN. Die genauen Daten der ersten Gründung sind nicht bekannt. Im Jahre 1273 erhielt das Kloster Kamenz die Bergbaufreiheit auf allen seinen Besitzungen verliehen. Es ist anzunehmen, daß damals Reichenstein als kleine Bergwerkssiedlung entstanden ist. Doch schon vor 1344 muß es Stadt gewesen sein. Aber erst im Jahre 1491 wurde es zur freien Bergstadt erhoben. Das Gold war es hauptsächlich, das Reichenstein groß und berühmt machte. Betrug doch die jährliche Ausbeute an 22- 23-karätigem Gold in den Jahren um 1560 etwa ½ Million DM, eine gewaltige Summe, für damalige Zeiten. 1565 stürzte die reichste Zeche, der sogenannte „goldene Esel“ ein und begrub über 90 Bergleute. Die schlimmen Kriegszeiten brachten auch für Reichenstein einen Niedergang, aber der Betrieb kam nie ganz zum Erliegen. Seit 1698 begann man Arsenik abzubauen. In späteren Zeiten stieg die Pruduktion wieder an und im Jahre 1933 wurden noch 26 000 Tonnen Erz gefördert, aus denen man durch verfeinerte Ausscheidungsmethoden noch 60 kg Gold gewann. Reichenstein war der einzige Ort Deutschlands, der noch in unseren Tagen Gold förderte. Der Betrieb beschäftigte etwa 500 Leute und es wurden hauptsächlich Schädlingsbekämpfungsmittel, Farben und Bleioxyde hergestellt.

Das benachbarte SILBERBERG ist wahrscheinlich durch Reichensteiner Bergleute gegründet worden. Schon sein Name sagt uns, daß hauptsächlich Silber abgebaut wurde. Im Hussitenkrieg wurden die Bergleute im Jahre 1428 vertrieben und die Anlagen zerstört. Erst 1527 wurde der Abbau wieder aufgenommen, anscheinend mit größerem Erfolg, denn 1536 erhielt es die Bergfreiheiten verliehen. Doch nicht lange währte seine Blütezeit. Bald war es als Festung wertvoller geworden als Lieferant von Edelmetallen.


KUPFERBERG, dessen Namen uns schon sein Erzeugnis verrät, wurde 1375 als besonderer Ortsteil von Waltersdorf abgetrennt. 1519 verlieh ihm der König von Böhmen das Stadtrecht. Neben Kupferkies wurden auch Blei und Silber ausgebeutet. 1667 bestanden 5 Gruben, doch auch hier ging es bald bergab. Erst im Jahre 1800 folgte ein neuer Aufschwung, der jedoch ebenfalls nur von kurzer Dauer war, denn 1845 gab es wieder nur noch 9 Berleute in Kupferberg. In neuester Zeit hat man noch einmal versucht, die dortigen Bodenschätze zu heben. 1925 hatte der Adlerschacht wieder 60 Mann Belegschaft, aber nach 2 Jahren mußte auch dieser Betrieb still gelegt werden.

Ähnlich schwankend und abwechslungsreich ist die Geschichte der höchstgelegenen Bergstadt Preußens, der Stadt GOTTESBERG. 1499 hatte Ladislaus von Böhmen der Stadt das Bergrecht verliehen, Silber und Blei förderten die Knappen zu Tage, und besonders im 16. Jahrhundert blühte der Bergbau. 5 Gruben waren damals in Betrieb. Doch der 30-jährige Krieg vernichtete die Anlagen.

1693 wird zwar wieder von der Errichtung einer Erzschmelze berichtet, doch schon 1752 wurde der Erzabbau ganz eingestellt. Dafür hatte sich seit 1714 der Abbau von Kohle entwickelt, der sich ja bis in unsere Zeit erhalten hatte. Seit 1867 hat man dann versucht, wieder Schwerspat zu fördern und anscheinend mit gutem Erfolg.


SCHMIEDEBERG, am Fuße des Riesengebirges, dessen erste Eisenerzgrube 1355 urkundlich erwähnt wird, war 1513 zur freien Bergstadt erhoben worden. Seine Erze waren besonders hochwertig, enthielten sie doch 76- 79 Prozent Magneteisen. Im 30-jährigen Krieg erlebte es seine größte Blüte, aber auch seinen Untergang, denn 1633 wurde es zerstört. Wie Kupferberg und Goldberg lebte es in den vergangenen Jahrhunderten wieder zeitweise auf, aber kam nie mehr zu einer wesentlichen Bedeutung.

Noch ein kurzes Wort über den kleinen Bergwerksort REINERZ. Vor 1324 besaß es bereits Stadtrecht und vor 1408 müssen schon Schmelzöfen und Eisenhütten bestanden haben. Bis zum Jahre 1879 währte der Abbau. Dann hatte Reinerz schon als Badeort eine besondere Berühmtheit erlangt und trat als Bergbauort nicht mehr in Erscheinung.


In ZIEGENHALS wurde im 16. und 17. Jahrhundert Gold abgebaut und gewaschen, dazu noch seit dem 16. Jahrhundert Eisen.

GOLDENTRAUM verdankt seinen Namen ebenfalls dem gleißenden Metall. Er wurde planmäßig von Christoph von Nostiz als Bergwerkssiedlung angelegt und erhielt 1677 die Rechte einer freien Bergstadt. Aber es blieb auch hier der Erfolg nur ein Traum vom Gold.

Zum Schluß sei noch die freie Bergstadt ALTENBERG erwähnt, die in früheren Zeiten einmal Bedeutung hatte, aber zuletzt nur noch eine winzige Siedlung von vier Gehöften war. Im Mittelalter gab es eine Grube, aus der bedeutende Mengen Gold und später Silber gefördert wurden. Der Ort, auf der Höhe des Bober-Katzbach-Gebirges gelegen, hatte damals eine Kirche, ein eigenes Salzhaus und war eine richtige Stadt im Sinne der damaligen Zeit. Doch ein großer Brand vernichtete den Ort vollständig und dazu ersoff der Schacht. Zeitweise hat man versucht, noch Arsenik abzubauen, und die alte Gifthütte stand noch bis in unsere Tage hinein, aber es war ein Mißerfolg wie an vielen anderen Orten auch.

Rückblickend kann man nur feststellen, daß die mittelalterliche Bergbaulandschaft der Sudetenhänge verschwunden ist oder wenigstens ihre Akzente wesentlich verlagert hat. Der Erzabbau ist restlos zum Erliegen gekommen, an seine Stelle trat der Kohlenabbau. Der Erzabbau wanderte nach dem Südosten, nach Oberschlesien. Die Zahl der Bergleute, die in den Kohlengruben Waldenburgs beschäftigt waren, war wesentlich höher als die Summe aller Bergleute, die im Mittelalter in den Erzbergwerken ihr Brot verdienten.


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Die schlesischen Bergstädte (2)

Ergänzung


Ergänzend zu obigem Artikel sei hingewiesen, daß auch in Grunau, Krs.Hirschberg, vor dem Dreißigjährigen Kriege ein Bergwerk betrieben worden ist, das Gold- und Silbererze barg. Die Grunauer Berge gehören zum Bober-Katzbach-Gebirge und ziehen sich in zusammenhängender Gebirgskette von Ost nach West. Über diese führte die „Hohe Straße“ nach dem Waldenburger Kohlenrevier. Auf der westlichen Seite dieses Gebirgszuges lag das Bergwerk. Über die Ergiebigkeit der Förderung ist mir nichts bekannt, es müssen aber eine Menge Bergleute beschäftigt gewesen sein, denn im Oberdorf stand bis zu unserer Vertreibung, auf dem Grundstück vom Bauer Oswald Hielscher , ein altes Bauwerk mit der am Ostgiebel eingravierten Jahreszahl 1601. Dieses ziemlich große Gebäude hat als Gasthaus den Bergknappen gedient, davon zeugen noch vorhandene Inneneinrichtungen. Um das Gebäude der Nachwelt zu erhalten, stand es unter Dennkmalschutz. Ein weiterer Zeuge für den Bestand des Bergbaus war das alte Haus von Werschky im Oberdorf, man nannte es „zur Goldgrube“. Dieses Haus wurde durch einen Neubau ersetzt, somit ging auch die Bezeichnung „ zur Goldgrube“ verloren, nur sehr alte Grunauer werden sich noch dieses Namens erinnern. Daß auch Silber gefördert worden ist, ergibt sich aus der Bezeichnung „Silberberg“, auf welchem jetzt die Landwirtschaft des Bauern Richard Raschke betrieben wurde. Schließlich sei noch erwähnt, daß vor ca. 30-40 Jahren auf dem Acker des damaligen Besitzers , Bauer Aug. Beer, ein Erdeinbruch erfolgte, welcher durch Zubruchegehen eines Stollen entstanden war. Das Bergwerk verfiel während des 30-jährigen Krieges oder wurde zerstört, denn auch Grunau wurde von den Kriegswirren nicht verschont. Unter der uralten Linde, hinter der Scholtisei, stand ein Gedenkstein, auf welchem ver-merkt war, daß bei einem stattgefundenen Gefecht einige Kosaken gefallen sind. Das Grab der Kosaken befand sich mitten auf dem Acker, man hat ihm später unter der uralten Linde einen Platz gegeben.

Entnommen aus „Schles.Bergwacht“ 1955