Schlesische Volkstrachten

Charlotte Steinbrucker

 

 

In schlesischen Heimatmuseen und privaten Sammlungen wurden die alten Trachten sorgsam aufbewahrt und bis in die Gegenwart an Volksfesten hervorgeholt und angelegt.

Am längsten getragen wurden die alten Trachten im Dorfe Schönwald bei Gleiwitz, und zwar nicht nur auf  Kirchgängen, Hochzeiten und anderen Festen, sondern auch am Wochentag. Kopftücher, Bänder und Besätze wurden durch Stickereien verziert, welche die Schönwälderinnen nach eigenen Mustern ausführten. Sie schufen in gemäßigten Farben kleine Kunstwerke, die bis nach Amerika Absatz fanden. Auch in der Gegend bei Oppeln, Ratibor und Stroppendorf bei Gleiwitz trug man besondere Trachten. Die Frauentracht in Roßberg bei Beuthen zeigte die Teilung in Rock und Mieder und halblange Hemdärmel. Braut, Brautjungfern und die zur Prozession gehenden Mädchen trugen einen bebänderten Kopfputz aus echter Myrthe und einen aus einzelnen bunten Bändern zu-

sammengenähten Kragen. Über den dunklen, faltigen Rock wurden große, helle, blumige Schürzen gebunden und außerdem eine Sackjacke angelegt. Von der kegelförmigen Haube, die durch den breiten Spitzenbesatz wie ein breitrandiger, lappiger Hut wirkte, hingen nach vorn und über den Rücken bunte breite Bänder. Auch die Männer in Roßberg legten eine besondere Tracht an: eine blaue Schoßjacke mit großen blanken Knöpfen und oben nur als Schmuck dienenden Knopflöchern, eine offen getragene ärmellose Weste aus demselben Stoff und nach demselben Schnitt, ein Hemd mit gesticktem Kragen, in Kanonenstiefel steckende Kniehosen und einen hohen, breitkrempigen Filzhut oder die Pelzmüzte aus Iltis oder Otter.

 Zum Teil recht kostbar waren die Trachten des Neißer Landes. Man unterschied die „Kräuter-

hauben“, die von den reichen Kraut-u. Gemüsebäuerinnen im Süden und Südwesten von Breslau angelegt wurden, die „Barthaube“, die mit einem breiten, schwarzen oder weißen Spitzenbesatz das Gesicht umrahmte, die mit Pelz besetzte „Kommoden“haube, die verschiedensten Gold- u. Silber-

hauben, Schmelz- ,Schneppen- und Tressenkappen und sommerliche Spitzenhauben. Außerdem trug man Spenzer mit keulenförmigen Ärmeln, über teilweise dick wattierten Unterröcken weite, beim Gehen auf- und niederwippende Röcke und schwere, wollene, sogenannte türkische Tücher. Die in dem sudetendeutschen Gebiet, vor allem dem Braunauer Ländchen, erhaltenen Volkstrachten sind denen in der Grafschaft Glatz ähnlich. Besonders kostbar waren die Crepinhauben der Teßtaler Tracht, die einst auch von den Bürgerinnen der Stadt Mährisch-Schönberg getragen wurden. Bei diesen eigenartigen Kopfbedeckungen war der reich bestickte Haubenboden von einem hohen Ge-

spinst feiner Goldfäden umrahmt und nach vorn von einer zarten Spitze abgeschlossen, die bei den Goldhauben weiß und sonst schwarz sich um das Gesicht der Trägerin legte. Zu Hause zog man die kostbaren Hauben über Haubenstöcke, die nach Modell gearbeitet und häufig mit porträtähnlichen Gesichtszügen versehen wurden. Als derartige Hauben nicht mehr getragen wurden, starb das Hand-

werk der Haubenstockschnitzer aus. Bereits die kleinen Täuflinge erhielten eine schwere Goldhaube oder ein Häubchen aus gestickter Seide, Spitzen oder Brokat.

Eine Sonderart bildeten die Tiroler Trachten, welche von den ihres Glaubens willen in ihrer Heimat verfolgten Tirolern, die in Zillerthal-Erdmannsdorf im Hirschberger Tal eine neue Heimat fanden, getragen wurden.

Zu den schönsten Trachten gehörten auch die sogenannten „wendischen“ in Niederschlesien. Die Frauenkleidung war vielfach der westdeutschen ähnlich, z.B. der weite, faltige kurze Rock dem der  Dachhauerin und der Schwälmerin . Die Männer legten bei festlichen Gelegenheiten eine Schirmmü-tze, eine blaue Leinenschürze und ein Seidentuch an. Im Kirchspiel Schleife und sieben zugehörigen Dörfern erhielt sich bis 1945 die weiße Trauertracht, die vor Jahrhunderten aus Frankreich in Deut-

schland eingeführt wurde.

 

Entnommen aus „Schles.Bergwacht“ 1955