Alltagsschicksale unserer Ahnen in früheren Zeiten

von R. Porrmann


Der älteste Sohn des einstigen Husaren Johann Gottlob Porrmann namens Christian Gottlob siedelte im Jahre 1810 nach Ober-Arnsdorf über. Ehe ich von ihm etwas berichte, will ich aber noch von anderen interessanten Trägern unseres Namens in den oberen Gebirgsgemeinden berichten. Es handelt sich um Schicksale von Brüdern und Vettern des Husaren. Sie erschienen alle als typische Riesengebirgler, d.h. ihre Lebensschicksale lassen uns etwas von dem Leben, dem Glück und Leid aller anderen Bergbewohner der damaligen Zeit ahnen.

Ein Bruder des Husaren, namens Christian, arbeitete als Aushilfsarbeiter in der Mühle am Brickenberge. Er wir nämlich „als dem Müllerhandwerke Zugetaner“ bezeichnet. Diese Mühle stand an der Stelle des späteren Waldhauses Weimar. Sie war denkbar einfach und benutzte zu ihrem Betriebe das Lomnitzwasser. Das Getreide, das sie mahlte, mußte freilich erst aus dem Tale geholt werden. Sehr fein wird das entstandene Mehl nicht gewesen sein, also denkbar schwarz. Aber es wird den Hunger der alten Brückenberger gestillt haben. Dieser „dem Müllerhandwerke zugetane“ Christian P. ist mit etlichen 40 Jahren an der Schwindsucht, damals hieß es „Auszehrung“, gestorben. Ein Sohn dieses Mühlenarbeiters hieß wieder Christian Gottlob P. Von ihm erzählte die Arnsdorfer Sterbeeintragung folgendes:

1801, den 12. April, ward begraben aus Brückenberg des Häuslers Christian Gottlob Porrmanns Ehewirtin Johnna Eleonore geb. Nietschin. Sie war geboren 1765, den 1. Febr. von Vater Gottlob Nietsche, gewesener Häusler daselbst, und Mutter Maria Elisabeth, geborene Knoblichin heiratete 1787 den 14. 5. Junggesell Christian Porrmann, daselbst Häusler, einzigen Sohn, namens Christian Gottlob P., zeugte mit ihm 4 Söhne und 4 Töchter, von denen noch 3 Söhne und 2 Töchter leben. Sie starb den 09. April, vormittags 10 Uhr nach glücklicher Entbindung am Seitenstechen und Blutsturz als Wöchnerin, alt 35 Jahre, 7 Monate und 8 Tage. Denselben Tag ward zugleich in den Armen der Mutter mit begraben des eben gedachten Porrmanns von ihr jüngstgeborenes Töchterlein namens Johanna Eleonore, welches am 07.04. geboren und am 11.04. mittags um 12 Uhr gestorben, Schwachheit wegens, alt 3 Tage.“

Hier haben wir ein typisches Frauenschicksal der damaligen Zeit. Diese junge Mutter hatte also mit 23 Jahren geheiratet, hatte in ihrer 12-jährigen Ehe 9 Kinder geboren, und war bei der Geburt des neunten Kindes gestorben. Das tote Kind hatte man ihr in die Arme gelegt, ehe man den Sarg hinunter nach Arnsdorf trug. Solche Frauenschicksale liest man oft in den alten Kirchenbüchern. Warum mußten diese Frauen sterben? Weil es noch keine fachmännische Geburtshilfe, also keine Hebammen gab. Nur die Nachbarinnen und die Großmütter leisteten Geburtshilfe, so gut sie es verstanden. Heute würden diese armen Frauen, die ihrer Entbindung wohl stets mit der größten Angst entgegengesehen haben, ohne weiteres noch zu retten gewesen sein.

Der ehemalige Forstknecht Johann Gottfried Porrmann, ein Bruder des letzten Erbkretschmers P., der manchen Leuten „die Arme und Beine entzweischlagen“ wollte, heiratete später, wohl der guten Versorgung wegen, eine 17 Jahre ältere Laborantenwitwe namens Exner aus Steinseiffen. Sie stammte aus Brieg, wo ihr Vater „Stadtlieutnant“ (wohl Festungskommandant) gewesen war. Kinder hatte dieses Paar natürlich nicht gehabt.

Mehrere Jahrzehnte, ungefähr von 1780 bis 1810, ist die Kleine-Teich-Baude von einem Johann Gottlieb Porrmann bewirtschaftet worden. Das war zu der Zeit natürlich eine ganz einfache Holzhütte, so ähnlich, wie wir etwa noch die Hasenbaude im Gedächtnis haben, oder eine der Forstbauden. Dieser Johann Gottlieb P. war ein Bruder des ehemaligen Husaren. Seine Frau hieß Maria Magdalena und war eine geboren Hallmann. Sie stammte aus dem Böhmischen, deshalb war sie auch katholisch. Die Kinder dieses Paares aber waren evangelisch. Die Trauung der Eltern muß auch drüben in Böhmen erfolgt sein, denn in den Registern war sie nicht verzeichnet. Wenn aber Johann Gottlieb P. die Geburt eines Kindes in Arnsdorf anmeldete, wurde stets im Kirchenbuche eingeschrieben „Johann Gottlieb P. aus Brückenberg bei dem Kleinen Teiche“. Dieser Teichbauden-Porrmann hatte im Jahre 1810 eine 19-jährige Tochter Monika. Dieselbe gebar ein uneheliches Kind. Im Arnsdorfer Kirchenbuch stand „von einem wilden Pascher gezeuget“. Wem fallen da nicht alte Paschergeschichten (Schmugglergeschichten) ein! Die böhmische Grenze war ja nicht weit. In der Kleinen-Teich-Baude haben also solche Pascher verkehrt und Unterschlupf gefunden. Einer dieser Pascher hat die Liebe der jungen Monika erworben, sie aber nicht geheiratet. Das Kindlein ist aber nur drei Tage alt geworden. Der Vater hat es dann „auf der Hucken“ zm Arnsdorfer Friedhof heruntergebracht. Man stelle sich das nur deutlich vor.

Auch von einer stillen Tragödie will ich noch berichten:

1817, den 12. Juli, wurde stille beerdigt aus Brückenberg der Inwohner Christian Ehrenfried Porrmann, Er war geboren den 09. 09. 1764 von Vater Christian Gottlieb P., gewesener Förster, Jäger und Erbkretschmer in Brückenberg, seine Mutter Agneta, geb. Großmannin. (Es war also ebenfalls ein Bruder des Husaren.). Er hatte sich verheiratet am 26. 05. 1794 mit Jungfrau Johanna Eleonore, des weiland Gottlieb Endes, gewesenen Häuslers in Arnsdorf ehelichen Tochter, aus welcher Ehe ein Sohn von 20 Jahren hinterlassen worden ist. Den 11. Juli wurde er, nachdem er 14 Tage vorher vermißt worden war, auf Brückenberger Revier tot auf der Erde liegend unter einem Baume, an welchem er sich mochte erhängt haben, da man den Strick bemerkte, gefunden. Sein Leichnam war schon stark in Verwesung übergegangen (Juli). Er ist alt geworden 52 Jahre und 10 Monate.

Was diesen Mann in den verzweiflungsvollen Tod getrieben hat, wird nicht berichtet.Waren es Geldsorgen, Ehestreitigkeiten, ein ungeratener Sohn o.ä. ? Wenn wir uns aber vorstellen, wie der Lebensmüde durch die stillen Bergwälder geirrt sein mag, bis er an abgelegener Stelle den Strick an einen Baum knüpfte, denn er wurde ja erst nach 14 Tagen gefunden, wie er den Hals in die Schlinge gelegt haben mag, um sein Leben auszulöschen, wenn wir uns weiter vorstellen, wie man ihn seitens seiner Frau und seines Sohnes, vielleicht mit den Nachbarn, gesucht haben mag, bis man ihn herabgestürzt und schon stark in Verwesung übergegangen fand, so erschüttert uns diese längst vergangene Tragödie noch heute.

Ein Landwehrmann Gottlob P. machte im 11. Schlesischen Landwehr-Inf.-Regt. die Befreiungskriege 1813 – 1815 mit. Ein Söhnlein von ihm ertrank im Alter von acht Jahren im Hochwasser der Lomnitz am 5. 05. 1849. Wir wissen ja von ähnlichen Unfällen zu berichten, die sich noch zu unserer Zeit in Hochwasser führenden Bergwässern ereignete.

Zuletzt sei noch berichtet, daß auch von anderen Nachkommen der alten Förster Porrmann hin und wieder etwas in den Arnsdorfer Kirchenbüchern steht. So heiratet ein Jäger Christian Ehrenfried P. aus Hain die Jungfrau Anna Maria Hartmannin aus Steinseiffen im Jahre 1749. Sie haben eine Tochter, welche am 09. Oktober 1788 im Alter von 33 Jahren stirbt. Im Sterbebuch heißt es über dieselbe: „Diese Person hat 23 Jahre ohne die geringste Besinnungskraft gelebt und 7 Jahre ganz darniedergelegen“.

Ein Johann Gottlob P., Revierjäger in Hermsdorf u.Kynast, heiratet am 03. Oktober 1795 mit 45 Jahren die Jungfrau Johanna Beate Kleinertin aus Querseiffen. Sie ist erst 23 Jahre alt. und eine Tochter des Erbgärtners und Garnhändlers Gottlob Kleinert in Querseiffen. Der Vater des Bräutigams ist der „ehemalige Jäger Johann Gottfried P. in Hernsdorf bei Greifenstein“.

So glaube ich ein anschauliches Bild vom Leben der alten Gebirgler in alter Zeit gezeichnet zu haben. Wie gesagt, genau dieselben oder ähnliche Schicksale hätte aber jeder andere Arnsdorfer von seinen Ahnen aus den alten Urkunden erfahren können. Ich habe vor 20 bis 30 Jahren viele Stunden in meiner Ferienzeit bei Pastor Schloßbauer im Pfarrarchiv gesessen und dies alles notiert. Herr Pastor Schloßbauer hat mir manchen Fingerzeig und manche Hilfe gegeben. Ich danke es ihm heute noch! Wo aber sind die alten Urkundenbücher geblieben? Ob sie noch daheim irgenwo existieren? Das erscheint mir sehr fraglich. Warum? Weil aus ihnen die deutsche Besiedlung und Geschichte unserer Heimat zu genau ersichtlich war, und das lesen und hören ja die jetzigen Bewohner Schlesiens nicht gern.



Entnommen aus „Schles.Bergwacht“, SB60/N27/S505


Abschrift v. W.Schön,Mail:genealogie@wimawabu.de 30.11.06