Eine Riesengebirgsreise Anno 1684

H.K



Am 19.September 1684 fand durch den Bischof Johann von Königsgrätz die Weihung der Elbquelle statt. Dazu war es erforderlich, daß der Bischof das Gebirge erstieg, und damals, vor reichlich 350 Jahren, war solch eine Gebirgsreise immerhin ein beachtliches Unternehmen. Aus einem Briefe, den der Bischof am 15. Oktober 1684 an den Grafen Morzin in Hohenelbe schrieb, erfahren wir so mancherlei, was unser Interesse erweckt und was über die Umstände, die vor Jahrhunderten mit einer Gebirgsreise verknüpft waren, Aufschluß gibt.

In dem Briefe stattet der Bischof dem Grafen seinen Dank ab, daß letzterer dem hochwürdigen Herrn zwei Kamele für die Gebirgsreise zugeschickt habe, allerdings hat nur eines der Wüstentiere den Bischof erreicht, das andere mußte der Bote, der mit der Überbringung beauftragt war, zurücklassen, da es so schwach wurde, daß es nicht mehr weiterzugehen vermochte. Ferner bedankt sich der Kirchenfürst für die freundliche Aufnahme, die er bei dem Grafen gefunden habe.

Nach einem Aufenthalt von einem Tage in Starkenbach – woselbst ihn, den Bischof, die „Frau Wittib“ empfangen und aufgenommen hat – sei am nächsten Morgen der Aufstieg aufs Gebirge unternommen worden. Träger mit einem zerlegbaren Zelte, in dem der Bischof rasten sollte, und mit einer zerlegbaren Kapelle hatte man bereits vorausgeschickt, doch kamen sie bei dem schlechten Wetter nur so langsam vorwärts, so daß sie schon in Rochlitz eingeholt wurden. Um nunmehr den Transport des Zeltes wie der zerlegbaren Kapelle zu beschleunigen, wurden in Rochlitz noch etliche kräftige Männer gemietet, denen die Teile der Kapelle anvertraut wurden. Außerdem ließ der Bischof einen Tisch aufs Gebirge tragen, das Zelt aber wurde auf das Kamel geladen, das die Strapazen der Bergreise bis hierher überstanden hatte.

Der Bischof wurde von einem Jesuitenpater und zwei Kaplänen begleitet, doch bei dem Aufstieg auf das Gebirge wurde einem der Kapläne schwindelig, so daß er nach Rochlitz zurückkehren mußte. Und auch dem Kamele ging die Kraft aus, es blieb beim Aufstieg auf den Kamm nach einer Ruhepause liegen und war nicht mehr zu bewegen, sich zu erheben und das Zelt weiterhin zu tragen. Deshalb mußten die Männer, die die Gebirgskarawane begleiteten, das Zelt selbst auf die ihre Schultern nehmen und weitertragen.

Unter strömendem Regen gelangte der Bischof mit seiner Begleitung mittags gegen 1 Uhr an der Elbquelle an. Doch es war kalt, zudem ging ein heftiger Wind, deshalb sollte nun schnellestens ein Feuer angefacht werden, und obwohl alle dazu erforderlichen Zutaten zur Stelle waren, so dauerte es doch immerhin eine gute halbe Stunde, ehe das Feuer prasselte, und man sich daran erwärmen konnte. Aber der Wind fegte noch immer zu arg, so daß man zum Schutze des Kirchenfürsten das Zelt errichten wollte. Doch da stellte es sich heraus, daß man die Zeltstangen unachtsamerweise in Starkenbach vergessen hatte. Doch die Männer hatten ja, als das Kamel sich weigerte, das Zelt weiterhin zu tragen und einfach am Wege liegenblieb, große Holzstangen gefällt und das Zelt daran festgebunden, um es so – jeweils zwei Mann an einer Stange – auf das Gebirge zu tragen. Diese Holzstangen also benützte man nun zum Errichten des Zeltes. Endlich also stand das Zelt fertig da, und sicher freuten sich diese Gebirgswanderer, nun gegen Frost und Wind ein schützendes Obdach zu haben. Doch da erhob sich ein so heftiger Sturm, daß eine der Zeltstangen umbrach, „als wäre er mit dem Messer zerschnitten“ und das Zelt somit in sich zusammenfiel.

Da begann der Kirchenfürst zu zweifeln, ob es ihm wohl möglich sein werde, in dieser Einöde eine Messe zu zelebrieren. Doch er wurde noch nicht kleinmütig, und mit Hilfe der anwesenden Leute wurde das Zelt in einer Zeit, die „etwa zweimal so lange dauerte, als man miserere ausbeten konnte“ wieder aufgebaut. Auch der Altar wurde aufgerichtet und der Bischof legte die Meßgewänder an. Danach wurde die heilige Messe zelebriert, und „nach Beendigung derselben bin ich in Pontificalibus zur Weihung des Brunnens bis zum wahren Ursprung der Elbe geschritten“, berichtet der Bischof wörtlich.

Danach „geschah aber eine seltene Sach`, welche schier einem halben Mirakel zu vergleichen“ war. Das schlimme, stürmische Wetter verwandelte sich während der Weihung der Elbquelle in prächtigen Sonnenschein, „daß wir“, so berichtete der Bischof, „das andere Gebirge gleich wie ein schön Paradies mit Lust ansehen, und ich das übrige der Benediction mit meinem höchsten Vergnügen und Trost habe vollbringen können.

Nach der Weihe haben alle Anwesenden – der Kirchenfürst und die Männer seiner Begleitung wie auch die Leute, die man als Träger mitgenommen hatte – aus der Elbquelle getrunken, und danach wurde das, was man von einer „kalten Kuchel“ (-kalten Küche) mitgenommen hatte, geteilt und gemeinsam verzehrt.

Doch hielt man sich nicht lange bei der Elbquelle auf weil man fürchtete, es könnte wieder anfangen zu stürmen und zu regnen. Also begann man den Abstieg und dieser schien dem Bischof noch schwieriger als der Aufstieg, weil durch den Regen die Wege derart glatt geworden waren, daß niemand sicher und ohne Gefahr gehen konnte. Jeweils acht Männer mußten den Bischof tragen, doch es waren genügend Leute mit, so daß sich die Träger abwechseln konnten. Unterwegs jedoch stolperten zwei Träger, und der Bischof stürzte dabei recht unglücklich, doch erlitt er keinen ernsthaften Schaden. Und so kam die ganze Gebirgskarawane schließlich abends gegen ½ 9 Uhr in Rochlitz an der Isar an, wo die schon erwähnte „Frau Wittib“ den Bischof und die Herren seiner Begleitung empfing und wieder aufnahm und bewirtete. „Ich bekenne, daß mir das Essen diesmal wohl geschmecket hat“, bekennt der Bischof in seinem Brief an den Grafen Morzin, was wir ihm herzlich gerne glauben. Denn wer von uns erinnert sich nicht an seinen eigenen „Bärenhunger“ , den er früher immer verspürte, wenn er von langer und beschwerlicher Bergtour „heemkoam“.



Aus „Schles.Bergwacht“, SB57/N10/S175