Als das Posthorn im schlesischen Lande erklang

Erinnerungen an die Hirschberger Posthalterei

Von H.K.



Längst bevor unsere Heimat von den Schienensträngen durchquert wurde und fauchende Lokomotiven das Land durchkreuzten, reiste man – recht und schlecht und manchmal sehr, sehr unbequem – mit der Postkutsche von einem Ort zum anderen. Ja, mancherorts verkehrten die alten Fahrposten noch bis in unsere Tage. Im Kreise Lauban wurde die letzte Pferdepost erst 1937 aus dem Verkehr gezogen, auch im Bober-Katzbach-Gebirge und im Glatzer Land gab es bis in die Jahre, die dem ersten Weltkrieg folgten, noch Fahrposten.

Die Erinnerung an die Zeit der Postkutschen, die einst mit Peitschenknall und dem Trara des Posthorns über die schlesischen Straßen rollte, ist noch nicht erloschen. Ganz alte Landsleute können sich noch der Zeiten erinnern, als die Personenposten von Guhrau nach Köben an der Oder fuhren, von Hirschberg hinauf ins Gebirge, von Marklissa nach Lauban fuhren. Und hier und da im schlesischen Lande traf man noch auf alte Posthaltereien, wo einst die Pferde gewechselt wurden, in den Schenken an den Straßen hing da und dort noch ein Bild mit einer Postkutsche und dem blasenden Postillon vorne auf dem Bock.

Im Schlesierland werden die ersten Fahrposten 1662 genannt. Nachdem der lange Krieg, der dreißig Jahre währte, sein Ende gefunden hatte, nahm auch das Wirtschaftsleben einen allmählichen Aufschwung. Nach dem Vorbilde der Thurn- und Taxi`schen Post wurden auch von Breslau aus zwei Postlinien in Betrieb genommen, die eine führte nach Wien, die andere nach Berlin. Und als es zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts für den Adel wie für das vermögende Bürgertum modern wurde, Reisen zu unternehmen, wurden von Breslau aus noch andere Postlinien nach Glatz, Hirschberg und Leipzig aufgenommen.

Überall in unserer Heimat wurden Posthaltereien eingerichtet, so daß die Pferde vor den Postkutschen oft genug gewechselt werden konnten. Eine Postkutsche legte am Tage etwa 10 Meilen zurück, wer aber Geld genug hatte, sich eine „Extra-Post“ leisten zu können, der konnte um einiges schneller reisen.

In Hirschberg befand sich die Posthalterei in der alten Poststraße, die an der Ecke, wo sich die Hirsch-Apotheke befand, ihren Anfang nahm. Zur Posthalterei gehörte das Postgebäude, das Postgut, das die Pferde für die abfahrenden Postkutschen bereit stellte. Auch ein großer Garten gehörte zu dem Anwesen in alter Zeit. Und über hundert Jahre blieb die Posthalterei im Besitze einer Familie. Dem Posthalter waren die gelben Postkutschen, die Postillione in ihren blauen Röcken, mit den blanken Posthörnern an schwarz-weißen Kordeln sowie den hohen, blanken Zylindern eine eigene Welt voller Besonderheiten und eigener Schönheit. Er, der Herr Posthalter, legte ganz besonderen Wert darauf, daß seine Postillione nicht nur die bekannten Signale sondern auch schöne alte Volksweisen blasen konnten. „Mädel von Dittersbach“ und „Schenk mir einen Bittern ein“ waren solche bei jung und alt beliebten Lieder, die heute fast vergessen sind. Den besten Bläsern unter seinen Postillionen stiftete der Posthalter gar silberne Ehrentrompeten. Von seinem Zimmer über der gewölbten Hofausfahrt sah er stolz jedem Postillion, der mit der Postchaise und den Fahrgästen darinnen die Posthalterei verließ, nach, und wenn er das Signal eines sich nahenden Postillions von weitem hörte, so ging er ans Tor, um den Postilllion mit seiner Postkutsche in schlankem Trabe vorbeifahren zu sehen.

Unförmige Kästen waren diese alten Personenpostwagen. Im hinteren Kasten wurde das Gepück der Reisenden untergebracht, dann kamen die zwei Coupes, in denen die Reisenden Platz fanden. Vorn unter dem Kutschbock des Postillions befand sich ein Verschlag für Briefe, Geldsendungen und Wertpakete. Wie interessant eine solche Reise war, von wieviel Romantik sie begleitet wurde, ersehen wir aus einem Briefe vom 30. November 1847, in dem ein junger Postsekretär seine Fahrt von Bunzlau nach Hirschberg beschreibt:

Mit mir saßen in der Beichaise ein Kaufmann aus Hirschberg, ein Offizier und ein Dorfschulmeister, Leute von ganz kontroversen Ansichten und Charakteren. Die Unterhaltung war aber sehr gebildet und unterhaltend, wurde aber nachgerade zwischen den beiden letzteren unausstehlich, als politische Themata aufs Tapet kamen, und wurde in der Passagierstube von Löwenberg mit solcher Gereiztheit fortgesetzt, daß ich sehr froh war, als mein armes Schulmeisterlein hier abging. Nun wurde die Unterhaltung gemütlicher und angenehmer und die Gegend höchst anziehend; denn bald ging es einen steilen Berg hinauf, bald mußte man von dem Hemmschuh Gebrauch machen, um nicht einen Purzelbaum zu machen. Der Bober war bedeutend übergetreten, und die armen Handwerksburschen mußten sich Hosen, Schuhe und Strümpfe ausziehen und auf ebener Erde stellenweise durchs Wasser waten. In der Passagierstube zu Lähn war es reizend, denke Dir eine ganz gewöhnliche Bürgerstube, wo eben geplättet wurde, drei Spinnräder umherstanden und Hund und Katze Krieg führten. Der Kaffee wurde in der Stube im Ofen zubereitet, der mit einer großen Bank umgeben war. Das Entree war zwar allerdings nicht schön, aber der ganz gute Kaffee und der frisch gebackene Kirmeskuchen mundeten uns so vortrefflich, daß wir dank der Freundlichkeit der Wirtin sehr bald mit der häuslich bürgerlichen Einrichtung der Passagierstube ausgesöhnt wurden und gern noch länger hier verweilt hätten. Nun ging es durch das obstreiche und fruchtbare Lähner Gebiet, meinem schönen Bestimmungsorte zu, und eh wir uns versahen, lag das schöne Hirschberger Tal vor uns, von dem Glanze der sich eben dem Untergange nähernden Sonne hell erleuchtet. Du kannst Dir denken, welchen Eindruck dieser Anblick auf mich machte, dies schöne, hohe Gebirge, das weit herunter mit Schnee bedeckt war, mit einem Male vor mir zu sehen. Das Posthaus konnte man schon eine Meile weit sehen, denn es liegt in der Vorstadt auf einem hohen Berge und überragt die umstehenden Gebäude.“

In der Hirschberger Posthalterei wurden des öfteren Extraposten in Anspruch genommen. Je nachdem es gewünscht wurde, fuhren die Extraposten zwei- oder vierspännig. Ihr Signal war ein anders als das der gewöhnlichen Personenposten. Für den Posthalter aber bedeuten die Extraposten – je öfter sie in Anspruch genommen wurden – eine willkommene Mehreinnahme.

Im nahen Erdmannsdorf am Fuße des Riesengebirges weilt vom dritten bis zum fünften Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts oft der preußische Hof und dessen fürstliche Gäste. Mit wenigen Ausnahmen reisten sie alle durch Hirschberg ins Gebirge. Natürlich herrschte da in der Hirschberger Posthalterei große Bewegtheit und Aufregung, denn der Herr Posthalter legte allergrößten Wert darauf, den König wie auch alle Mitglieder der königlichen Familie zu deren voller Zufriedenheit zu bedienen. Freilich, wenn dann solches Malheur geschah, wie wir es aus einem Briefe jener Zeit erfahren, bereitete es dem Herrn Posthalter viele, viele Kopfschmerzen und großen, großen Kummer.

Von dem Reisetrödel hier kannst Du Dir gar keinen Begriff machen. Der König ist mit einem ungewöhnlich großen Gefolge hier, er wollte nur zwei Tage bleiben und ist auch bereits wieder nach Breslau abgereist. Da aber heute die Königin von Bayern, die Prinzessin von Hessen und bei Rhein und Prinz Adalbert nach Fischbach kommen, so kommt der König noch einmal am Montag nach Erdmannsdorf zurück. Und wie man hört, will er am 20. nach dem Rhein reisen und dann noch mit der Kaiserin von Russland auf 14 Tage herkommen. Der Vater (gemeint ist der Posthalter) regte sich wieder auf eine erbärmliche Weise auf. Seit sechs Nächten schläft er unten, und Du weißt, wenn er das tut, ist die Verzweiflung am höchsten, und bei alledem ist es passiert, daß Hain(ein Postillion) vor des Königs Wagen an der Spitze des Sechsspänners sein Sattelpferd n2222222222222at; die vordersten Pferde mußten abgesträngt werden und der König konnte nur vierspännig die ganze Station fahren. Er soll gesagt haben: „Wenn mir das passiert, will ich mich nicht wundern, wenn die anderen den Hals brechen.“ Wie es möglich war , daß dieser Vorfall passieren konnte, ist allen unbegreiflich. Hain, ein alter, bewährter Postillion, und ein Pferd, was seit einem Vierteljahr in der Post geht, und hätte Hain nur nicht die Dummheit begangen, zu sagen: „Ich habe das Pferd noch nicht geritten.“ Die ganze Sache ist sehr unangenehm, aber der Vater ärgert sich weit mehr darum, als die Sache wert ist.“

Ja, das Reisen in der alten Zeit konnte voller Poesie sein, doch es war zuweilen auch mit Gefahren verbunden, denn gerade rings um Hirschberg gab es steile Straßen, die von Postillionen wie Posthaltern gefürchtet wurden. Die alte Paßstraße, die von Schmiedeberg über den Landeshuter Paß nach Landeshut führte, war solch` eine schlimme Straße bei der die armen Pferde geradezu gequält werden mußten, wenn sie die schwere Kutsche die steile Paßstraße emporziehen sollten. Solcher steilen Straßen gab es noch andere, z.B. führte eine von Berthelsdorf nach Spiller. Sie wurde jedoch später beim Chausseebau ausgeglichen.

Längst ist das Posthorn des „Schwagers“ vorn auf seinem Kutschbock verklungen. Nur zuweilen, wenn wir dem lauten, geschäftigen Leben der Gegenwart entfliehen konnten, und in den Gedichten eines Nikolaus Lenau oder unseres liebenswerten Landsmannes Joseph Freiherr von Eichendorff blättern, lebt die alte Postkutschenromantik noch einmal auf. So singt uns unser schlesischer Dichter das Lied:

Es schienen so golden die Sterne,

Am Fenster ich einsam stand

Und hörte aus weiter Ferne

Ein Posthorn im stillen Land.

Das Herz mir im Leibe entbrennte,

Da hab` ich mir heimlich gedacht:

Ach, wer da mitreisen könnte,

In der prächtigen Sommernacht“



Entnommen aus „Schles.Bergwacht“, SB57/N27/S476