Hirschberg im 15. Jahrhundert

Schreiber unbekannt




Im 15. Jahrhundert war Hirschberg noch von dichten Wäldern umgeben, die unzugänglich und von Wild und mancherlei Raubtieren belebt waren. Der Biber baute damals noch seine Burgen (der Bober hat seinen Namen daher), Fischreiher horsteten zahlreich und Bären durchstreiften die Wildnis.

Die Berghöhen um die Stadt waren von Burgen besetzt, so auf dem Hausberg, das Bolkenhaus auf dem Berg bei Eichberg, auf dem Schloßberg beim Grünbusch und der Kynast. Schon stand die 1403 von Ritter Gottsche Schoff gegründete Zisterzienserprobstei bei dem „warmen Bade“, einer Heilquelle. An Ortschaften gab es damals bereits Connradisdorf (jetzt Kunnersdorf), Grunau, Straupitz, Harte und Berwigsdorf. Beide Boberufer waren mit dichtem Wald bestanden.-

Die Stadt Hirschberg war mit Mauern umgeben, mit Basteien und hervortretenden runden Türmen, die von den drei Tortürmen überragt wurden, dem Schildauer-, Burg- und Langgassentor. Vor der Mauer lag ein breiter Graben, davor eine niedrige zweite Mauer und ein sturmfreier Raum. Zwischen Hausberg und der Stadt stand die um 1300 erbaute Niedermühle und das Hospital Corpus Christi. Nur ein wenig ragten über die Mauer die spitzen hölzernen Giebeldächer der Häuser hervor. Ein Gebäude nur sah weit über die anderen hinweg, die um 1300 von Herzog Bernhard von Schweidnitz erbaute katholische Kirche. Das Straßennnetz war wohl etwa das gleiche, wie es heute noch besteht, wenn auch durch die großen Brände 1549 und 1634 manche Veränderungen später erfolgt sind. Ein Straßenpflaster gab es damals noch nicht. Die Häuser waren aus Holz mit kleinen Fenstern und Türen, alles war eng und finster. Nur der Marktplatz war frei. Das Rathaus stand in der Häuserreihe an der Ecke zur Gerichtsgasse. Die hölzernen Lauben umzogen schon damals den Marktplatz, sie haben sich später erst in die steinernen Gewölbe verwandelt, die wir kennen.

Für ihr Gemeinwesen und Gewerbetreiben hatten die Bürger sich vom Kaiser und ihren Herzögen von Schweidnitz und Jauer verschiedene Privilege erteilen lassen, so das Recht, ein Wursthaus zu gründen, d.h. Fleischhandel zu treiben. Um 1350 erhielten sie das Recht, eine Badestube zu halten, das Recht des Gewandschnittes und das Weichbildrecht. Letzteres besagte, daß „niemand im ganzen Weichbild außer der Stadt solle Gewand feil haben noch verkaufen, Salz und Malz verkaufen, Kretschamwerk treiben noch keine anderen Handwerke“. Dazu kamen die Rechte für einen Weinkeller (Ratskeller), Waagehaus, Kram- und Scherkammern und sogar ein Münzrecht.

Auch die Interessen ihres Handels und Bergbaues verfolgten die Hirschberger eifrig und erhielten von Kaiser Karl IV. Abgabenfreiheit auf den Märkten in Breslau und Prag, wenn sie mit ihren Waren dorthin zogen. Als Grundlage für ihre bürgerliche Freiheit und Selbstständigkeit erwirkten sie von der Königin Anna, der Gemahlin Kaiser Karls, ein Privilegium, daß sie keine Dienste außerhalb des Fürstentums leisten dürften und daß jeder bei seinem Gerichtshofe gelassen werden solle. So war das Gemeinwesen durch eine städtische Verfassung wohl geordnet.

Auf dem Hausberg saß der herzogliche Burggraf, welcher zugleich Oberrichter war. Der letzte war 1423 ein Gottsche-Schoff. In der Stadt regierten Bürgermeister und Rat, welche alljährlich mit großer Feierlichkeit neu gewählt wurden. An den Markttagen, die wie bis zuletzt am Donnerstag stattfanden, herrschte lebhafter Verkehr, da viel Landvolk in die Stadt kam. Immer mehr wuchs das Vermögen der Stadt und mehrere Kämmereigüter waren in ihrem Besitz. Die Hirschberger standen sich gut mit ihren Landesherren und mit ihren mächtigen Nachbarn, den Rittern vom Kynast und Greiffenstein. Auch blieb unsere Gegend vom Krieg verschont.

Am Anfang des 15. Jahrhunderts war also Hirschberg eine wohlhabende Stadt. Im allgemeinen liegen über diese Zeit nur sehr wenig schriftliche Mitteilungen vor. Doch dreimal finden wir den Namen der Stadt in der Geschichte dieses Jahrhunderts erwähnt. Das eine Mal in der politischen, zum anderen in der Kriegsgeschichte und zum dritten Male in der Kulturgeschichte.

Im Jahre 1420 tritt in Breslau unter Kaiser Sigismund ein Gerichtshof zusammen, um einen Aufstand der Zunftgenossen abzuurteilen. Dazu wurden Vertreter mehrerer schlesischer Städte berufen, darunter auch Hirschberg. Die zweite Erwähnung Hirschbergs erfolgt im Rahmen der Hussitenkriege, dieser nationalen, sozialen und religiösen Bewegung der Tschechen, die sich voll Hass gegen alles Deutsche richtete. Im Verlauf dieser Kämpfe kamen die Hussiten nach der Zerstörung von Lauban und Lähn 1427 auch vor Hirschberg. Nach Erstürmung des Schloßberges im Grünbusch und der Burg auf dem Sechstädter Berge begann eine schwere Belagerung der Stadt. Aber alle Angriffe wurden erfolgreich abgewehrt und die Hussiten zogen sich über Landeshut mit großer Beute zurück. Noch lange Zeit später feierten die Hirschberg am Anfang Oktober zum Andenken jener glücklichen Verteidigung ein dreitägiges Fest.

Das dritte Mal, da der Name unserer Stadt erwähnt wird, hat einen kulturellen Grund. Im Jahre 1470 kehrte ein Hirschberger Schuhmachergeselle, Joachim Girnth, von seiner Wanderschaft nach Hause zurück. Er hatte in Holland die Schleierweberei (feine Leinwand) gelernt und legte den Grund zu einem Gewerbe, welches zu großer Blüte gelangte und nicht bloß für Hirschberg, sondern auch für viele andere Städte des schlesischen Gebirges eine Quelle reichen Wohlstandes geworden ist.

An der Schwelle zum 16. Jahrhundert konnte Hirschberg mit Befriedigung auf das verflossene Jahrhundert zurückblicken. Jedoch, die glückliche und friedliche Jugendzeit war vorüber. Die Religionskriege des 16. und 17. Jahrhundert, der siebenjährige Krieg und die Freiheitskriege haben der Stadt viel Leid gebracht und ihre Blüte halb zerstört. Doch dies gehört einer späteren Zeit an als dieser, die geschildert werden sollte.


Entnommen aus „Schles.Bergwacht“ 1953/Nr.7