Goldsucher im Riesengebirge

von Ekke Luhniz



Der Traum vom Gold hat die Menschheit zu allen Zeiten bewegt, hat sie zu seltsamen Abenteuern angespannt, hieß sie die heimatliche Erde verlassen und in die Fremde gehen, wo sagenhafter Reichtum mühelos erlangt werden konnte.

Das Riesengebirge mit seiner wälderweiten Einsamkeit, mit seinen bizarren Felsgruppen und den zu Tal stürzenden Wildwassern hat die Menschen bald angezogen, um hier nach edlen Steinen und den so begehrten Goldkörnern zu suchen. Die Ortschaften Steinseiffen, Seifershau, Seidorf sowie Seifenbach sind Gründungen solcher Edelstein- und Goldsucher inmitten der Bergwildnis, denn „seiffen“ bedeutet nichts mehr und nichts weniger als „waschen“. Hier wurde in den Bächen die Erde nach edlen Steinen und Gold durchsucht, gewaschen und „geseift“.

Die ersten Goldsucher im Riesengebirge mögen wohl Bergknappen aus dem nicht weit vom Gebirge entfernten Goldberg gewesen sein, die in der Hoffnung hierher kamen, bedeutende Funde zu entdecken und ein „einsames Gewerke“, einen eigenen Abbau beginnen zu können. Nach ihnen aber kamen fremde Schatzsucher in unser Gebirge, die anfangs vielleicht im Auftrag des kaiserlichen Grundherrn das Gebirge nach Schätzen durchsuchen sollten. Die einheimische Bevölkerung diesseits und jenseits der Berge nannte sie „Venediger“, weil sie aus dem fernen Italien kamen und ihnen die Kunst der Herstellung venezianischen Glases nicht unbekannt war. Doch bald wurden die „Venediger“ nur noch kurzweg „Welsche“ oder „Walen“ genannt, und diese „Walen“ durchstreiften das Gebirge von Ost nach West, immer in der Hoffnung, große Schätze zu entdecken und als reiche Männer nach dem fernen Italien heimkehren zu können.

Mit einer Wünschelrute in den Händen glaubten die Walen, die in der Bergestiefe ruhenden Schätze ausfindig machen zu können. Ihre Erfahrungen und auch die Orte, wo sich nach ihrer Meinung – und vielleicht auch nach ihrer Erfahrung – Schätze finden ließen, schrieben sie in den „Walenbüchern“ nieder. In die Felsen der Berge aber hieben sie mit dem Hammer und dem Meissel geheimnisvolle Zeichen, die den Brüdern ihrer Zunft der Schatzsucher ebenfalls den Weg zu den Schätzen weisen sollten. In einem solchen alten „Walenbüchlein“ lautet eine Eintragung: „Auf der Iserwiese am Riesengebirge liegen viel Körner ganz blau Edelgestein, gut Erz, gediegen Gold und Silber und mancherley Ebentheuer, item der Buchberg, die Iser fließt hart daran weg. Eine halbe Meile darunter liegt ein Schloß wüste, und an einem Stein ist ein Mann ausgehauen, der weist mit zwey Fingern auf ein Kreuz an einem Stein und fließen Wasser zur rechten und linken . Sechs Gewend vom Mohnstein, darauf die Hand weiset, magst du suchen. Aus dem wüsten Schloß fließt ein Wasser, gehe dem nach, da wirst du viel gewachsen Gold finden.“

Hier ist also schon von solch einem geheimnisvollen Mal – einem „Walenzeichen“ die Rede. Solche fanden sich in alter Zeit in unserem Gebirge viele. Schon 1558 wird uns von Simon Hüttel, dem Chronisten des Städtels Trautenau auf der böhmischen Seite der Sudeten, berichtet:

Da haben wir viel berggruben, kreize und Zeichen geffunden und die jahrzal MD2 an einer Buchen zusambt einer großen Hand, die gegen morgen weist auf ein ander tanne zu, da ist ein zeichen, wie ein schnitzer ausgeschnitten, wie schlegel und bergeisen.“

Fast zweihundert Jahre später berichtet der Liegnitzer Arzt und Mineraloge Georg Anton Volkmann in einer Schilderung des Riesengebirges, daß „allerhand Charakteres und Figuren von Menschengesichtern, Händen, Schilden, Messern, Kratzen, Ringen und Kreutzen“ gefunden würden.

Die „Walensteine“ - so wurden die Felsen mit den geheimnisvollen Merkmalen genannt – kündeten jahrhundertelang vom geheimnisumwitterten Wirken und Treiben der Walen und war uns die Kunde dieser Zeichen auch seltsam und unverständlich, so waren die Walenzeichen doch Zeugnis der ersten und frühen Bergfahrer, die in die Wildnis unseres schlesischen Gebirges vordrangen.

Im Laufe der Zeit gingen viele der Walenzeichen verloren, entweder sie verwitterten, oder sie wurden von Moosen und Flechten überdeckt oder sie wurden aus Mutwillen von bösen Bubenhänden – und solche hat es wohl zu allen Zeiten gegeben – unkenntlich gemacht. Bei der Erschließung unseres Gebirges mag es auch zuweilen vorgekommen sein, daß walenzeichentragende Felsen zerstört wurden. So darf es uns nicht verwundern, daß die Walenzeichen schließlich nur noch in geringer Anzahl vorzufinden waren.

Der Gabelstein, der zwischen der Gebert-Baude und dem Bahnhof Karlstal liegt, führt in alten Walenberichten einen oft genannten Namen. Dieser Stein stand im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts in der Gefahr, zerstört zu werden. Nur den unermüdlichen und selbstlosen Bemühungen des in Schreiberhau ansässigen Landschaftsmalers Aulich ist es zu danken, daß die Zerstörung des Gabelsteines verhindert wurde. In unmittelbarer Nähe der Felsgruppe des Gabelsteines befanden sich viele Walenzeichen, von denen einige unsere Abbildung zeigt. Allerdings war und ist es schier aussichtslos, die Zeichen zu entziffern.

Auch am Westabhange des Eisenberges bei Saalberg – der Eisenberg mag an einem uralten Walenpfad, auf dem die Goldsucher ins Gebirge stiegen, gelegen gewesen sein – konnte man eine Fülle zwar verwitterter, doch uralter Walenzeichen finden. Auf waagerechter Steinplatte, die ½ bis ¾ Meter über den vorbeiführenden Weg herausragte, zeigten sich die Umrisse zweier Füße, dazwischen ein hufförmiges Zeichen, Hand und Kreuz und vor dem linken Fuß eine Schaufel. Die Hand schien nach dem Bache zu weisen, wo sich vielleicht eine besonders reiche Fundstelle zum Seifen des goldhaltigen Sandes befand, oder aber sie wies in der Richtung des Weglaufes auf das Gebirge hin.

Ein anderer Fels mit Walenzeichen ist der Mannstein bei Hain, der unweit der Goldenen Aussicht liegt. Offenbar durch Naturgewalten wurden in dem Felsen eine Vertiefung geschaffen, die einer menschlichen Figur nicht unähnlich sieht. Und diese Figur hat dem Felsen den Namen „Mannstein“ gegeben. Für uns aber sind die Walenzeichen wichtiger, von denen eines am Halse dieser Gestalt zu sehen war. Es hatte die Form eines Handabdruckes und links seitlich davon war ein Kreuz sichtbar.

Am Adlerfelsen in Niederschreiberhau fiel den Besuchern desselben eine Steinplatte auffällig ins Auge, die auf der Wiese eines benachbarten Grundstückes gefunden worden war und wegen ihrer seltsamen, mit dem Meissel eingeschlagenenen Linien hier aufgestellt wurde. Diese Walenzeichen – unsere Abbildung zeigt sie – sollen einstmals auf die im Niederdorfe zu Schreiberhau vorhanden gewesenen Schächte hingewiesen haben. Andere Wahrzeichen als Zeugnisse einstigen Gold- und Schatzsuchertums im schlesischen Gebirge befanden sich am Kesselstein bei Nieder- Petersdorf und am Tafelstein auf dem Forstkamm.

Längst hatten die Goldsucher ihr Treiben in unserem Riesengebirge aufgegeben, nur die Walenzeichen und die alten Mären und Sagen – zum Beispiel die von vielen Schätzen, die in der Abendburg verborgen liegen – kündeten noch von ihnen. Und als nach Jahrhunderten andere Bergfahrer das Gebirge durchdrangen, da suchten sie nicht mehr nach Gold und Schätzen, sondern das Gebirge wurde ihnen um seiner Schönheit willen lieb.



Entnommen aus „Schles.Berwacht“, SB59/N03/S38