Goethe in Schlesien

von Dr. Enzian



Bei einer Reise, die Goethe im Jahre 1790 nach Breslau führte, hat er zum ersten Male den Boden Schlesiens betreten. Das Riesengebirge wollte er kennenlernen. Aus einem Notizbuch, das er auf dieser Reise bei sich hatte wissen wir, daß er - von Breslau aus – zu Pferde nach Greiffenberg kam und dort am 2. August 1790 die Quaisbrücke passierte. Wir wissen ferner aus seinen Aufzeichnungen, daß er sich bis zum 6. August im Hirschberger Tal aufgehalten und von dort aus die Schneekoppe bestiegen und Ritte „ins Gebirge und an die böhmische Grenze“ gemacht hat. Besonders vermerkt ist der „Entian von der Schneekoppe, eine Art von Syngenesia spuria“. Gemeint ist wohl die in der Hochgebirgsflora verbreitete azurblaue Schwalbenwurzart, Enziane und Gentiane haben Goethe immer angezogen. Auch Felix wird in den „Wanderjahren“ „von den wunderbaren Gentianen ganz besonders angelockt“.

Ende August bis Mitte September 1790 hat Goethe – wie wir aus einem Brief an Herder wissen – eine zweite Reise ins schlesische Gebirge, und zwar in die Grafschaft Glatz, unternommen. Er war auf dem Gut in Langenbielau, südlich von Reichenbach, und in Glatz. Ueber Wünschelberg und Braunau stieß er bis zur Adersbacher Grotte vor und reiste über Landeshut nach Breslau zurück. Nach dem 11. September zog es ihn abermals ins Riesengebirge, wo ja die Herbsttage mit ihrer klaren Fernsicht besonders schön sind. Kamm und Schneekoppe gehörten auch diesmal zu seinen Wanderzielen. Bei dieser Gelegenheit muß er auch über den Iserkamm nach Friedeberg gekommen sein, denn dort hat er sich den Steinschneider Ludwig im Notizbuch angemerkt.

Als Naturwissenschaftler haben ihn besonders Gesteinslagerungen wie der Granit in Teichenau bei Schweidnitz , in Dunckendorf (heute Tunkendorf) bei Striegau und in Greditz (auf der Straße nach Reichenbach) sowie die Tropfsteinhöhle in Adersbach interessiert. Nach den großen Eindrücken, die ihm seine italienische Reise gebracht hatte, reizte es ihn, innerhalb Deutschlands Gebiete kennenzulernen, in die er sonst bei seiner Diensttätigkeit als weimarischer Minister nicht kam. Da ihm der Bergbau unterstand, forschte er in Schlesien nach der dort üblichen Methode des „Frischens“ und nach dem Holz- und Kohleverbrauch bei diesem Prozess.

Bei den damals noch recht wenig guten Verkehrswegen ist es besonders anzuerkennen, daß Goethe von Breslau aus, wo er sich mit dem Herzog auf einer Dienstreise befand, die Anstrengungen nicht gescheut hat, ins Gebirge vorzudringen, und dort neben Gesteins- und Pflanzenstudien aus eigenem Erleben die Bergwelt zu genießen. Aber Goethe war ja auch noch jung, im Vollbesitz seiner Kräfte und unternehmungs- und reiselustig. Die schlesische Bergwelt, die Täler des Quais, des Zacken und der Neisse haben ihn auch landschaftlich so weit interessiert, daß er sie selbst in Augenschein nehmen und erleben wollte.


Entnommen aus „Schles.Bergwacht“, SB58/N18/S279




Erstellt von W.Schön, Mail:genealogie@wimawabu.de, 17.06.05