Erdmannsdorf als Wohnsitz des Grafen Gneisenau

Schreiber unbekannt

 

 

Vielleicht haben wir schlesier kaum Kenntnis davon genommen, daß sich der Todestag eines Mannes in diesem Jahr (1956)zum 125. Male jährte, der unserer Schlesienheimat im Allgemeinen und dem Riesengebirge im besonderen eng verbunden fühlte.

Am 24. August 1831 starb zu Posen August Graf Neidhardt von Gneisenau. Durch seine Gattin Karoline Freiin von Kottwitz war er Besitzer der Domäne Mittel-Kauffung (Kreis Schönau) geworden. Doch im Herbst 1816 tauschte er diese Besitztum gegen die Herrschaft Erdmannsdorf im Riesengebirge ein, allerdings mußte er dazu noch 105 000 Taler bar bezahlen. Bald siedelte der Graf mit seiner Familie nach Erdmannsdorf über, und hier in dem Gutshause entfaltete sich bald ein reges Familienleben. Den Bewohnern des Hirschberger Tales war Gneisenau kein Unbekannter, sie wußten um seine großen Verdienste zur Befreiung Preußens vom Joche Napoleons.

Der Held aus den Befreiungskriegen brauchte offenbar Betätigung; wenn wir hören, was er am 27. Nov. 1816 in einem Brief an die Frau seines Freundes, des Generals von Clausewitz, schreibt, dann  begreifen wir dies so recht: „Sie erhalten hier, hochverehrte, gnädige Frau, ein Schreiben, von einem der beschäftigtsten Männern, die vielleicht Schlesien jetzt besitzt, denn ich tue jetzt wenig anderes, als anordnen, zerstören, aufrichten, Entscheidungen geben, Umherreiten, Besuche geben und Empfangen, und dennoch bin ich Herrn Rabe (seinen Baumeister) ausgenommen, ganz allein und ohne Kinder schon seit drei Wochen. Ich habe nämlich mein sorgenschweres unheilbringendes, zwisterregendes Mittel-Kauffung gegen Erdmannsdorf, zwischen Schmiedeberg, Warmbrunn und Hirschberg gelegen, vertauscht. Da sitze ich nun und lasse mein hiesiges Haus zur Winteraufnahme meines zahlreichen Hausstandes einrichten, lasse verfallene Wirtschaftsgebäude abtragen, um sie gefälliger und schicklicher da aufzubauen, wohin sie eigentlich gehören. Da ich hier mit Buchwald, Stonsdorf, den Gütern der Grafen Schaffgotsch und Matuschka und der Stadt Hirschberg grenze, fehlt es nicht an Gesellschaft und Besuchen, und ich habe meine nachbarlichen Obliegenheiten treulich erfüllt. So lebe ich in den Freuden und Erwägungen einer neuen Schöpfung. Die Natur hat trefflich vorgearbeitet, und das Haus gibt sich leicht zu allen neuen Einrichtungen her. Die Gegend ist himmlisch, die Mittagseite großartig (Aussicht nach der Schneekoppe), die Mitternachtsseite höchst lieblich (Blick n.d. Lomnitzer Kirche). Da sind Wälder und Teiche und Waldungen und die schönsten Wiesen. Ich hoffe mit einiger Verstandesanstrengung eines der schönsten Güter zu bilden, die die Erde hat . . . . .“

 Am gleichen Tag richtete der neue Herr von Erdmannsdorf auch an den Staatskanzler von Hardenberg ein Schreiben, darinnen erfahren wir noch näheres über die Herrschaft Erdmannsdorf, nämlich daß das Gut 1000 Morgen Ackerland umfasse, daß auch 350 Morgen Wiesenland dazugehöre und daß die gesamte Bodenfläche der Herrschaft mit Wäldern und Teichen nicht weniger als 2900 Morgen zähle. Und wir erfahren ferner, daß in nächster Zeit für die Viehwirtschaft auf Erdmannsdorf noch 1500 Schafe und 55 Stück Rindvieh angeschafft werden sollen.

Wir sehen also, daß Gneisenau ein tatkräftiger Gutsherr war, kein müßiggehender Junker, wie sie manchmal dargestellt worden sind. Doch trotz aller Arbeit hatte er auch den rechten Sinn für die Schönheit seines Besitztums inmitten der Gebirgslandschaft. In einem Brief an die Fürstin Radziwill, geborene Prinzessin Louise von Preußen, schildert er die Lage seines Anwesens: „Südlich meiner Wohnung, in der Entfernung von nur einer Stunde, erhebt sich das hohe Schauspiel des Riesengebirges, die Schneekoppe, gerade vor meinem Fenster. Diese Lage ist einzig. Wohin nur man sich wendet, da entdecken sich immer neue Landschaften . . . . „

Leider konnte Gneisenau nicht das ganze Jahr über in Erdmannsdorf wohnen. Da er 1817 zum Mitglied des Preußischen Staatsrates ernannt worden war, mußte er oftmals nach Berlin reisen, und hatte dort meistens längere Zeit zuzubringen. Außerdem besaß er noch eine Domäne, Sommerschenburg bei Magdeburg, und um diese mußte er sich als guter preußischer Grundherr auch kümmern. Doch in jedem Jahr kam er für 3 bis 6 Monate nach Erdmannsdorf, manchmal blieb er, bis der Winter begonnen hatte, und zuweilen zog es ihn auch noch während der Winterzeit nach  Erdmannsdorf. Die Schönheiten des Gebirges hat er genossen, soweit man damals schon das Gebirge erschlossen hatte. Im Februar 1817 unternimmt er mit seiner ganzen Familie eine Hörnerschlittenfahrt nach den Grenzbauden und schreibt auch darüber an seinen Freund von Clausewitz einen begeisterten Brief über die „herrliche Wintervergnügung“.

1820 erwirbt der Prinz von Preußen – der spätere Kaiser Wilhelm I. - die benachbarte Herrschaft Fischbach, und wenige Jahre später wird das bei Schmiedeberg gelegene Ruhberg das Domizil der Familie Radziwill. Mit diesen neuen Gutsherren in seiner nächsten Nachbarschaft pflegte Gneisenau regen gesellschaftlichen Verkehr. Und wie schön diese Zusammenkünfte der Familien sein konnten, erfahren wir wieder aus einem Brief, den Gneisenau im Herbst 1824 an einen Freund schreibt: „Der Abend auf dem Ameisenberg (bei Erdmannsdorf) war noch Ende September. Es ist dies einer der in Betreff der Rundumsicht schönsten Punkte des Gebirges. Dahin ladete ich die Fischbacher und Ruhberger Häuser und die Buchwalder ein, und zwar nur zum Kaffee mit Kuchen und Eis. Zwei Oktaven Kühe (also insgesamt 16 Stück) hatte ich in den dortigen Wald bestellt, mit rein gestimmten Metallglocken versehen. Ein Klarinettbläser saß im Gesträuch und ließ sein Instrument schalmeyartig ertönen, und einige Waldhornisten bliesen in einiger Entfernung Jägerstückchen. Das war alles und wenig genug, die umgebende, großartige Natur tat dabei mehr als dieser geringe Apparat; am meisten tat dabei das Gefühl für Naturschönheiten, das die meisten Glieder der Gesellschaft mitbrachten. Für die Jugend hatte ich zwei Biwakfeuer anzünden lassen und Kartoffeln mitgebracht, die freudig gebraten und gegegessen wurden von den jüngeren Prinzen, von Wanda, von Gerhard, von August und von Agnes . . . . .“

Ach, sie verstanden es schon in der Biedermeierzeit mit wenigen Mitteln und in äußerlich bescheidenem Rahmen, die Feste zu feiern und Geselligkeit zu pflegen.

Doch Gneisenau wäre kein rechter Gutsherr gewesen, wenn er nicht auch für die Bewohner seiner Herrschaft Sorge getragen hätte. 1826 ließ er dem Ort auf seine Kosten eine neue Schule erbauen, und den Ortsarmen ließ er allmorgentlich im Schlosse eine Suppe geben. Wie sehr er sich um die in Not geratenen Weber sorgt, können wir aus einem Brief erfahren, den er 1818 an die Gräfin Reden richtet: „Ihr Schicksal ist, wie das aller Manufakturarbeiter in das der Weltbegebenheiten verpflochten und zugleich abhängig von dem wandelbaren Geschmack der Menschen. Die dreimal wohlfeileren Baumwollwaren haben in Amerika, Portugal und Spanien den Gebrauch der Leinwand verringert. Die Reicheren müssen dann zutreten, denn die Kräfte der Regierung reichen nicht aus. Wenn aber diejenigen Dominien, die unter ihren Einsassen Weber haben, sich nicht entschließen, jeder Weberfamilie einige Morgen Acker zu vermieten und die Weber nicht zu Schippe und Spaten greifen, so werden diese noch lange ein halbes Hungerleben fortführen. Drei Morgen sind hinreichend um einer fleißigen Familie, die neben den Feldarbeiten noch spinnt oder anderes treibt, Nahrung zu geben . . . .“

Auch im Familienleben des Grafen vollzog sich hier in Erdmannsdorf manche Veränderung. Am 12. August 1818 heiratete die älteste Tochter Gneisenaus, Agnes, den Sohn des Generals Scharnhorst. Doch schon vier Jahre später stirbt diese Tochter zu Erdmannsdorf im Kindbett, am 5. Juli 1822.

Aber das Leben griff immer wieder mit beiden Armen nach dem Gutsherrn. Einmal kamen die preußischen Prinzen zu Besuch, dann meldete sich sein Freund von Clausewitz mit seiner Frau an. Auch der Freiherr vom Stein, der preußische Minister besuchte ihn hier. Gneisenau verwuchs jedenfalls aufs engste mit diesem Anwesen, und es ist nicht verwunderlich, daß er den Wunsch äußerte, er wolle einmal in Erdmannsdorf begraben sein.

Als die polnische Revolution ausbricht, erhält 1813 Gneisenau den Oberbefehl, über die vier östlichen Armeekorps Preußens. Somit verbringt Gneisenau viele Monate in Posen, und hier wird er am 24. August 1831 durch die Cholera weggerafft. Sein geliebtes Erdmannsdorf sieht er nicht wieder, und selbst sein Wunsch, im Riesengebirge einmal seine letzte Ruhestätte zu finden, geht nicht in Erfüllung. Er wird zunächst in Wormsdorf beigesetzt, als seine Erben aber die Herrschaft Erdmannsdorf verkaufen, um die Domäne Sommerschenburg als Familienbesitz erhalten zu können, lassen sie auch den Sarg des ehemaligen Gutsherrn von Erdmannsdorf nach Sommerschenburg bringen.

1833 erwirbt Erdmannsdorf der preußische König Friedrich Wilhelm III. und unter ihm sollten das Gut und das Schloß noch viele schöne und glanzvolle Tage erleben.

 

 

Entnommen aus „Schles.Bergwacht“ SB56/N32/S570