Langenau

im Bober-Katzbach-Gebirge

von Walter Finke

 

Nach jahrelangen Bemühungen gelang es mir jetzt, etwas über die Geschichte von Langenau zu erfahren. Es ist sehr bedauerlich, daß geschichtliche Nachrichten, soweit sie das Langenauer Gebiet betreffen, kaum vorliegen. Noch schlechter bestellt ist es mit Bild-Material. Doch nun hört, was der Chronist Klose aus Hirschberg über unser Dorf im Jahre 1885 berichtet:

„Wenn man auf der Straße von Hirschberg nach Lähn wandert, wird man bald nach dem Austritt aus dem aus der Höhe hinter Grunau befindlichen Walde durch einen Blick auf die Vorberge und die dazwischen liegenden Täler von ausnehmernder Lieblichkeit überrascht. Rechter Hand erblickt man nahe den Grunauer Spitzberg in seiner pitoresken Form, dahinter das Tal von Flachenseiffen, nach vorwärts die Täler von Langenau und Johnsdorf mit dem sie einschließenden Bergen, nach links die Wünschendorfer und Husdorfer Höhen und nordwestlich diese überragend und die Rundschau abschließend, die Burgruine Lehnhaus.

Die Abwechslung von Feld und Wald, die Dächer der Häuser, welche in den Tälern aus den Laubkronen der Bäume hervorschimmern, geben dem Bild einen eigentümlichen, anheimelnden Reiz. Unwilllkürlich haftet der Blick bei der Umschau auf dem Turme der katholischen Kirche von Langenau, der sich im Vordergrund von der Umgebung abhebt.

Wer kein besonderes Ziel verfolgt, der mag seinen Weg nach Lähn nicht quer durch Langenau fortsetzen, sondern den kleinen Umweg nicht scheuen und ein wenig talaufwärts gehen, um diese Kirche und den ohnweit liegenden Rest des alten Schlosses zu Langenau in Augenschein nehmen. Beide bieten dem Archäologen wie dem Kunstfreund genug des Interessanten.

 

Die Kirche gehört in ihrem ältesten Teile, dem Chor, dem 13., die übrigen Teile dem 15. und 16. Jahrhundert an. Der Chor ist, wenngleich er aus dem Rechteck geschlossen ist und die Fenster im Spitzbogen gehalten sind, noch romanisch, denn die mächtigen runden Rippen der Kreuzgewölbe ruhen auf schlanken Sohlen, deren Kapitäle mit einfachem Blattwerk verziert sind. Dieselbe Ornamentierung zeigen auch die runden Gewölbeschlußsteine. Derselben Zeit möchte auch das nördliche Portal zuzuweisen sein, das von vier abwechselnd runden und birnenförmigen Säulen eingefaßt ist. Bemerkenswert ist das eine Fenster, weil sein Schluß die Form des Hufeisenbogens hat.  

Die Brüstung der beiden vorhandenen Emporen ist durch eine sogenannte Bilderbibel geziert. Die in Wasserfarben ausgeführte Malerei bringt an der Empore des Längshauses Momente aus der Lebensgeschichte Christi, an der des Altarhauses solche aus dem alten Testament zur Anschauung.

Auch der steinerne Taufstein aus dem 16. Jahrhundert ist nicht uninteressant. Die Voluten, welche die Verbindung des Kessels mit dem Fuß vermitteln und zwischen denen der Kessel zu ruhen scheint, ist mit Männerköpfen gekrönt, die mit federartigem Kopfputz versehen sind, wodurch dem Stein ein eigentümliches Gepräge aufgedrückt wird. An dem sechsteiligen oberen Teile des Steines sind die Wappen derer v.Reibnitz, v.Stosch, v.Hochberg und v.Lest sowie zwei nicht mehr lesbaren Inschriften angebracht.

In dem vorhandenen Standaltar birgt die Kirche einen wahren Schatz. Er ist ein Meisterwerk der Hochrenaissance. Der Aufbau zeigt schöne Verhältinisse. Die Ausstattung ist, wenn auch nicht frei von Überladungen, doch von höchst malerischer Wirkung; die Verzierungen sind Stilvoll, In den einzelnen Abteilungen sind Momente aus dem Leben und Leiden Christi, Apostel, Kirchenväter usw. dargestellt. Man zählt nahe an hundert in Holz geschnitzte und bemalte Figuren. Dieser Altar ist Ende des 16. Jahrhunderts von der Familie v.Lest gestiftet, denn an der Predella sind schon Todesnachrichten aus dem Jahre 1600 angebracht und auf der Rückseite sind mit der Bezeichnung  der Jahreszahl 1604 zwei Brüder v.Lest als Kommunizierende genannt. Außerdem haben sich zwei Maler M.G. mit der Zahl 1605 und Adamus P..... mit der Zahl 1615 auf der Rückseite des Altars verewigt.

Vom alten Schlosse, das wegen Baufälligkeit eingerissen werden mußte und an dessen Stelle unter teilweiser Benutzungdes vorhandenen Mauerwerkes ein Neubau getreten ist, existiert nur noch die nach der Dorfstraße zu gelegene sogenannte Kapelle. Man tritt in dieselbe vom Hofe aus durch eine Tür mit geradem Sturz ein, deren Gerähme nur auf der äußeren Seite sehr einfach durch Rundstab und Hohlkehle profiliert ist. Auf der Innenseite ist das Gerähme glatt. An Stelle der Profilierung tritt  Malerei ein. Die Verzierungen sind auf dunklen Grund in graugrüner Farbe gemalt und bestehen aus Vasen, denen nach oben Blattornamente entsteigen, die in das für die Zeit charakteristische Delphinenornament übergehen. Zwei mit den Köpfen gegeneinander gerichtete Delphine füllen den Raum des Türsturzes.

Das Gemach ist ein viereckiger Raum, der mit zwei Kreuzgewölben ohne Rippen bedeckt ist. Der Tür gegenüber befindet sich ein glattes viereckiges Fenster ohne Pfosten mit sehr geringer Neigung zur Sohlbank. Der ganze Raum ist vollständig mit Malereien in Temperamanier bedeckt. Die Gewölbe zeigen in den Kappen auf weißen Grunde bunte Verzierungen in Form von Rosetten, an den Bogen Rankenwerk, welches durch Putti gehalten wird. Vom Fußboden bis zur Höhe von ca. 1 Meter ziehen sich rings um die Wände dunkelrote, nicht mehr zu mehr genau zu erkennende lineare Ornamente von etwas hellerem Grunde hin; darüber folgt ein weißer, etwa zwei Dezimeter breiter Streifen, über dem ein ebenso hoher hellblauer Streifen angebracht ist. Auf diesem blauen Streifen sitzen die verschiedensten farbigen Figuren auf, die in bunter Reihe Vasen, Schalen, Trinkgefäße, Früchte, Kornblumen, Singvögel, einen Storch, ein Eichhorn, einen Narren und einen Mann, der  in ein Horn bläst, darstellen. Die beiden männlichen Figuren sind nur bis unterhalb der Brust gezeichnet. Es wird dadurch sowie durch die Farbe des blauen Streifens der Eindruck hervorgebracht, als ob dieselben im Wasser säßen. In der Fensternische bestehen die Malereien aus  Weinlaub und  Kornblumen.

Über der Eingangstür ist das Schweißtuch der Veronika und weiterhin an der Rückwand des Gemaches , etwas höher als dieses Bild, Christus am Kreuz mit Maria und Johannes zur Darstellung gebracht. In den vier Bogennischen sind die Wappen derer v.Liebenthal, v.Stosch. v.Zedlitz, v.Haugwitz, v.Reibnitz, v.Schaffgotsch, v.Reder, v.Kittlitz, v.Hohberg, v.Lest und v.Spiller gemalt. Über den Wappen ist in jeder Nische die Jahreszahl 1562 eingeschrieben. Manche der Wappen sind durch die Feuchtigkeit fast unkenntlich geworden. Wenn die Malereien auch keinen künstlerischen Wert haben, so sind sie doch durch die Originalität der Darstellung interessant und umso beachtens-werter, als Wandmalereien aus jener Zeit von Jahr zu Jahr seltener werden.

Die Gegenstände, welche über dem blauen Steifen zur Darstellung gebracht sind, lassen es trotz der beiden kirchl. Gemälde zweifelhaft erscheinen, ob der Raum wirklich als Kapelle benutzt worden ist; ob er nicht vielmehr profanen Zwecken, z.B. als Gelagen gedient hat. Letztere Annahme erscheint mir als  die wahrscheinlichere, weil im ersten Stock des alten Gebäudes ein ausschließlich dem Gottesdienst geweihter Raum vorhanden war.

Das Schloss muß außerdem sehr fest gewesen sein, denn es hat einigen Belagerungen mit Erfolg getrotzt. Eine fand im Jahre 1622 statt, als 8 000 Mann Kosaken, welche Ferdinand II. von dem König von Polen als Hilfstruppen gegen die rebellischen Böhmen zugesandt, von diesem aber bei Prag nur mit halbem Sold entlassen worden waren, ihren Rückweg über Schmiedeberg und Hirschberg nach Glogau nahmen. Sie bestürmten das Schloss Langenau, das von seinem Besitzer v.Lest in Gemeinschaft mit Heinrich von Spiller tapfer verteidigt wurde, was die Kosaken dermaßen erbitterte, daß sie die Einwohner von Langenau aufs schändlichste marterten, bis v.Lest sie durch Zahlung von 3 000 Thalern in Gold und Kleinodien zum Abzug veranlaßte. Im Laufe des 30. jährigen Krieges wurde das Schloß noch einmal durch den Burggrafen von Dohna belagert; der nachdem er durch 7 Wochen vergeblicher Anstrengungen zu seiner Einnahme gemacht hatte, wieder abzog.

In den durch die Reformation hervorgerufenen Kirchenspaltungen fiel auch dem Schloß Langenau eine bescheidene Rolle zu, indem 1575 in ihm der Streit über die Erbsünde und den freien Willen des Meschen nach dem Falle zwischen Flacius Illyrius und Jacob Colerus, damals Pfarrer in Adelsdorf, ausgefochten wurde, nachdem die auf dem Schlosse Lehnhaus durch Sebastian v.Zedlitz auf Neukirch angeregten Disputationen zu einer Einigung nicht geführt hatten. Der Streit endete mit der Niederlage des Flacius, der darauf Schlesien verließ.

Ein tragisches Familienereignis, dessen Schauplatz Schloß Langenau war, mag hier noch Erwähnung finden. Am 30. April 1672 erstach nämlich Oswald v.Lest infolge eines bei einem Gelage ausgebrochenen Streites seinen jüngeren Bruder Nikolaus. Der Mörder entfloh nach Sachsen, kehrte aber nach 3  Jahren zurück, zahlte eine Caution von 1000 Dukaten und wurde schließlich auf Fürbitte seiner Frau, einer geb. v.Reibnitz, gegen Zahlung einer ansehnlichen Geldbuße begnadigt.

Der Grabstein des ermordeten Nikolaus befand sich vor Ende des 19. Jahrhunderts noch in der sogenannten „Harte“ bei Matzdorf. Er enthielt in den Ecken vier undeutliche Wappen. Die in großen lateinischen Buchstaben hergestellte, nur noch schwer zu lesende Inschrift lautete:

 

„Dem Leser, hier ist das Grab des Weiland hochedelgebohrnen u. gestrengen Herrn Niclaszen von Lest auf Langenau und Flachenseiffen römisch kaiserl. Majestäten unter dem hochl. lotheringischen Kyrassier Regiment bestallt gewesenen Kornets, welchen die Hand der Tugend bei annoch fast unmuendigen Jahren auf den ritterlichen Staffeln der Ehre geleitet und die Hand des einzigen vollbürtigen Bruders Osswaldius von Lest durch einen abscheulichen Dolchstoß hinweg gerafft.

Der ist auf den 30. April 1672 auf beider eigenthuemlichen Hause Langenau abends zwischen 6 und 7 Uhr geschehen, allwo der Seelige, nachdem er folgenden Morgen in würkliche kaiserl. Dienste zu Felde gehen sollte, auf dem Orte, wo er geboren, sein edles Blut und zugleich den muthigen Geist verlassen muessen: Des Alters 21 Jahr und 9 Wochen.

„Darum bedenke, daß die Welt voll Fluch und Laster, voller Mord und Feindschaft sei, unter denen auch kein Bruder von der Hand des Bruders frei. Ach bewein deinen Stand, denn bei solchem blutigen Weinen, wie sie diese Grab beschleußt, moechte doch wohl Stein weinen.“

 

Wie dieser Grabstein in die Harte gelangt ist, war nicht zu ermitteln.

Im Löwenberger Stadtbuche fand ich u.a. folgende Eintragung bezgl. der Besitzverhältnisse von Langenau:

1481 Jorge Seidelitz der junge von Langenau.“ der wird noch 1485 und 1494 erwähnt, und zwar das zweite Mal im Verein mit Parcival (Partschal) von Reibnitz zu Falkenberg, sofern damit Falkenstein gemeint sein sollte, denn es möge bemerkt werden, daß die Burg auf demselben bereits im 14. Jahrhundert eine gründliche Zerstörung erfahren haben muß. Denn im Landbuch G  fol. 118b heißt es, Benesch von Donyn habe 1399 den Berg verkauft „do etwenne die Vesten der Folkinsteyn genannt, gestanden hat.“

 

 

Entnommen aus „Schles.Bergwacht“ 1956/N08/S132