Der Einsturz des Rathausturmes zu Hirschberg

von W. Finke




17 Hundert 39 war der letzte Februar,

Mercke diß, o Hirschberg, fleißig,

waß diß vor ein anblick war,

als sich unser Rathuß Thurm

ohne Wetter, ohne Sturm,

mit gelinden Knal und Prasseln

taethe aus ein ander Rasseln.


In der 6ten Morgen Stundt

fiel der waechter mit herab!

Eh er noch mit seinem Mundt

Sechse zu verstehen gab

so verfiel er in die Grufft

Ihn bedeck ein großer Klufft

Er nebst zweien muß daß leben

Bei des Thurmes Fall auf geben.


Dampfft und Rauch ging von der Erden

Als der Fall geschehen war

Den begont es licht zu werden

als den nahm man alles wahr

beide Glocken lagen da

unbeschaedigt wie man sah

Nur der Großen war im Prallen

ein Einziges Oehr entfallen.


So wird derenst die gantze welt

mit Krachen untergehen

waß Irdisch ist zu Boden faellt

waß Ewig muß bestehen

unser Gott bleibt alle Zeit

Biß in alle Ewigkeit

Drum laßt uns sagen wohl bedacht

Der Herr hat alles wohl gemacht.


Diese poetischen Verse widmete dem Unglück ein Hirschberger Bürger namens Christian May, welcher angeblich „nach veranlassung des Borge Maeisters Hiebner in den Schothaufen hinein gekrochen“ ist „mit der groesten Lebensgefahr unter so vielen anwaesenden.“ Dieses Hineinkriechen in den Schutthaufen mag allerdings gefährlich gewesen sein und man kann es ihm daher nicht verargen, daß er seinen gezeigten Mut handschriftlich verewigte. Schwerlich hatte er eine Ahnung davon, daß nach über 200 Jahren noch von ihm die Rede sein würde, als er die Zeilen niederschrieb.

Die obigen Verse stehen jedoch im Widerspruch mit der Beschreibung dieses Unglücks in der Henssel`schen Chronik der Stadt Hirschberg, wo einem Windstoß der Einsturz des sehr baufälligen, im Jahre 1634 ausgebrannten Turmes zugeschrieben wird.

Hensel sagt uns zu diesem Ereignis:

„Es war frueh um ¾ auf 6 Uhr, als dasselbe stattfand; die obere zweimal durchsichtige Spitze war nordwestlich, ohne Schaden anzurichten, auf den Markt gefallen. Das Treppenthuermchen gegen Abend am Rathaus, das 1604 erbaut worden seyn sollte, war ebenfalls herabgestuerzt und der 4te Theil des Rathauses selbst und seine Gewoelbe waren geborsten und eingefallen, also auch die auf dieser Seite befindliche Vogteistube, wodurch denn auch die Treppe verschüttet war.“

Die Glocken auf dem Turm waren jedoch, ohne zerschmettert zu werden, herabgefallen, Knopf aber und Spille des Turmes waren zersprungen, das Blechdach verbogen und das Uhrwerk völlig zerquetscht. Das nahe stehende Haus der Stadtwache und das Spritzenhaus, nebst 3 kleinen Spritzen, hatten auch Schaden gelitten. Ein Teil des sog. Wagegewölbes, der Wasserkammer, der Apotheke (die am Rathaus stand), die Garküche und ein Zinngießergewölbe waren ebenfalls eingefallen. Der Dampf und Staub war anfangs so groß, daß man ein Großfeuer vermutete.

Beim Einsturz kamen der Türmer, Gottfried Hauert, sowie ein Schuhmachergeselle Friedrich Jirke, welcher ersterem oben in seinem Stübchen des öfteren Gesellschaft leistete, ums Leben, desgleichen ein armer Färber, Georg Milde, der erst am Vortage in dem „Schuldstübchen“ inhaftiert worden war.

Des Färbers Knecht, mit Namen Hanns Christoph Ende, kam mit dem Leben davon. Jener weilte in der Unglücksstunde bei seinem Herrn, der ihn am vorherigen Abend hatte zu sich kommen lassen, „um nicht allein zu seyn“. Beide hatten die Nacht schon unter Furcht verbracht, weil die vorhandene Mauerritze im Schuldstübchen sich zu vergrößern schien. Am Morgen war der Färber in das Vorgemach des Stübchens gegangen, als das Unglück begann. Als das Gewölbe zu knistern begann und Balken und anderes Holzwerk mit ungeheurem Krachen herunterstürzte, war der Knecht auf der Bank im Stübchen sitzen geblieben. Als er wieder zur Besinnung kam, hatte er noch die halbe Stube und den halben Ofen vor sich. Man kann sich wohl gut vorstellen, daß er „ueber und neben sich ein graeßliches Krachen, unter Seufzen und Schreien seinen Tod erwartete“.

Nachdem der Staub sich etwas gelichtet hatte, sprang er von seinem nunmehr luftigen Aufenthalt auf die unter ihm liegenden Trümmer, um seinen Herrn, den er im Herabspringen noch will schreien gehört haben, zu retten. Doch war den drei anderen Bürgern nicht mehr zu helfen, wenngleich auch der oben erwähnte Held des Tages, Christian May, „in den Schothaufen kroch mit der groeßten Lebensgefahr.“

An demselben Tage fand man noch den Schuhmachergesellen, am folgenden Tage den inhaftiert gewesenen Färber und erst nach 10 Tagen den Türmer.


Entnommen aus „Schles.Bergwacht“ 1955




Erstellt von Winfried Schön; Mail: genealogie@wimawabu.de 27.06.04