Einkehr beim „Alten Grobian“ auf der Schneekoppe

Die erste Wetterstation

von E.Sch.



Auf Anregung des Klosters Grüssau faßte Graf Christoph Leopold v. Schaffgotsch 1653 den Plan, auf dem Koppenkegel (1605 Meter ü. Meer) eine Kapelle zu bauen. Der Bau wurde aber infolge eines Grenzstreits durch die Beamten des Grafen Czernin verhindert. Sie behaupteten, die Schneekoppe gehöre zu Schmiedeberg. Es kam zu einem 10-jährigen Prozess, in dem Graf Schaffgotsch siegte. 1665 begann der Bau, eine gar mühselige Arbeit, denn jeder Balken und alles Zubehör bis zum Wasser mußte auf „Kraxen“ hochgeschleppt werden, Zu der Schwierigkeit, große Lasten auf solche Höhe zu bringen, gesellten sich andere widrige Verhältnisse, die für damalige Zeit begreiflichen Mißgriffe in der Auswahl des zu verwendenden Materials, die nicht in Rechnung gezogenen atmosphärischen Einflüsse und anderes, so daß sich die Fertigstellung des Baues bis zum Jahr 1681 verzögerte, in dem am Laurentiustag die höchste Kapelle in deutschen Landen von Grüssaus bedeutendstem Abt Bernhard Rosa geweiht wurde. Die Koppenkapelle besteht also über 260 Jahre und war, da sie von 1824 bis 1850 als Gaststätte und Herberge für die Schneekoppenbesucher diente, die Vorläuferin der um die Mitte des 19. Jahrh, errichteten ersten Baude auf der höchsten Wacht im Osten.

Ursprünglich fand in der Laurentiuskapelle fünfmal jährlich Gottesdienst statt. 1749 wurden die fünf Koppentage auf drei herabgesetzt. 1810 hörten mit der Säkularisation der Klöster die Koppenfeste auf, die von Mönchen der Probstei Warmbrunn gehalten wurden. Sie reisten auf dem sogenannten „Geistlichen Wege“auf die Koppe, über Giersdorf, Seidorf, den „Gutten Brunn“, Brückenberg, die Schlingelbaude bis zu einem Hause, das 1738 eigens für ihre Unterkunft unterhalb des bisherigen Nachtquartiers, der Hampelbaude, errichtet worden war. In dieser „Geistlichen Baude“ übernachteten u.a. König Friedrich Wilhelm III. Und Königin Luise bei ihrer Koppenbesteigung, am 18. August 1800. Die sommerlichen Koppenfeste zogen schon am Vorabend Hunderte von Menschen auf den Riesengebirgskamm. Ein notdürftiges Nachtlager boten die Heuschober, denn Wiesen- und Hampelbaude, die beiden ältesten Bauden im Riesengebirge reichten nicht aus, Dort scheinen sich die Wallfahrer, die auch die Koppe bestiegen, allerdings nicht sehr würdig, benommen zu haben, denn es wurde darüber Klage geführt, daß sie die ganze Nacht in den Bauden „gezecht, gespielt und getanzt hätten“. Als die geistlichen Güter vom Staate eingezogen wurden, hörte auch der Gottesdienst in der Koppenkapelle auf. Von 1810 bis 1824 stand die Kapelle unbenutzt und verfiel mehr und mehr. Infolgedessen wurde sie vom Grafen Schaffgotsch als Gaststätte und Herberge vermietet und diente als solche bis 1850, bis zur Erbauung der ersten Koppenbaude. Als erster Pächter übernahm im Sommer 1824 der Gastwirt Carl Siebenhaar aus Warmbrunn die in einen Gaststättenbetrieb umgewandelte Koppenkapelle und richtete sie auch für Übernachtungen während des Sommerhalbjahres ein. Siebenhaar betrieb die Gastwirtschaft und nebenbei auch die Untersuchung der Wetterverhältnisse auf der Schneekoppe im Auftrag des Staates. Er war also der erste „Wetterwart“ auf der Schneekoppe, da das Schneekoppen – Observatorium erst um die Jahrhundertwende entstanden ist. Wenn Siebenhaar als tüchtiger Wirt und ausgezeichneter Kenner des Riesengebirgs galt, so war er aber gleichzeitig auch als „alter Grobian“ verschrien.

Beim Eintritt durch die schmale Pforte der Kapelle, vor der sich damals eine kleine hölzerne Vorhalle befand, bot sich ein eigenartiger Anblick. Der ziemlich große, kreisrunde Innenraum diente zu ebener Erde gleichzeitig als Gast- und Speisezimmer wie als Küche, während der Nacht bei starkem Andrang auch wohl als Lagerstatt. Hier hockten während der Nacht die heraufgekommenen Führer und Träger beisammen. Abgesehen vom Herd, auf dem über offenen Feuer nur Eierspeisen und warme Getränke bereitet wurden, nahmen eine Anzahl einfache Holztische und Schemel den Raum ein, um dessen Wand eine hölzerne Bank lief, die als Lagerstatt zweiten Ranges diente. „Lagerstatt ersten Ranges“ war eine in halber Höhe des Kapellenraumes angebrachte gedielte, nach innen mit einem Staketengeländer versehene Galerie, zu der man auf einer steilen, hühnersteigartigen Treppe hinaufklettern konnte. Hier wurden abends nur Strohsäcke ohne Bettzeug und wollene Decken als Zudecke hingelegt, mehr als 15 Personen konnten hier nicht Platz finden. Die Galerie selbst war so schmal, daß Personen über Mittelgröße, wenn sie sich gerade strecken wollten, ihre Füße durch die Staketenstangen in den offenen Kapellenraum hineinragten, was, von unten betrachtet, einen ebenso sonderbaren als ergötzlichen Anblick bot. Als Waschbecken diente am Morgen ein Faß mit Wasser, das im unteren Raum auf die Bank gesetzt und von allen Gästen gemeinschaftlich benutzt werden mußte.

Die Kapelle, die nach dem Bau des ersten Koppengasthauses ihrem ursprünglichen Zweck wieder zugeführt wurde, hat viele berühmte Gäste gesehen, u.a. Johann Christian Günther, Gothe, Heinrich von Kleist, Johann Gottfried Seume, Theodor Körner, Ernst Moritz Arndt, Max von Schenkendorf, Karl von Holtei, E.Th. A. Hoffmann, Freiligrath. Am 23. Juli 1840 übernachtete der König von Sachsen bei seiner Besteigung der Schneekoppe in der Kapelle. Am 24. August 1840 besuchte König Friedrich Wilhelm IV. Die Schneekoppe. Gustav Reichardt vertonte am 3. August 1825, begeistert von der Schönheit des Rundblicks auf der Koppe, das Lied Ernst Moritz Arndts „Was ist des Deutschen Vaterland?“. Dieses Ereignis wird in einer Erinnerungstafel festgehalten, welche die Ortsgruppe Berlin des RGV zum 100-jährigen Geburtstag des Komponisten am 13. Nov. 1897 in der Koppenkapelle hat anbringen lassen.

Ebenso wie die anderen Koppenhäuser ist auch die Kapelle mehrere Male von Blitzschlägen getroffen worden. So wurde am 16. August 1834 in der Kapelle ein Zuckerbäckergehilfe von einem nicht zündenden Blitzstrahl getötet und zwei andere Gebirgswanderer betäubt. Im Jahre 1850 wurde von dem Gastwirt Sommer aus Warmbrunn die erste Baude auf dem Koppenkegel errichtet. Sie war anfangs nur zur Sommerzeit bewohnbar, erst seit dem Jahre 1876 auch im Winter. Nach siebenjährigem Bestehen brannte das ganz aus Holz erbaute Gebäude infolge Brandstiftung am 2. Oktober 1857 nieder. Im Sommer des folgenden Jahres wurde jedoch der Neubau, der wiederum aus Holz errichtet worden war, wieder dem Verkehr übergeben. Diese Baude war schon bedeutend größer als das abgebrannte Einkehrhaus und enthielt bereits einen Speisesaal, einen Schlafsaal und 33 Fremdenzimmer. Aber bereits nach 4 Jahren wurde auch dieses Haus am 16. April 1862 ein Raub der Flammen. Es blieb unaufgeklärt, ob ein Blitzschlag oder wieder Brandstiftung die Ursache des Feuers gewesen sind. Sommer ließ zum dritten Male bauen, und so entstand die Baude in ihrer heutigen Form. Der Bau ging so schnell vonstatten, daß die neue Baude bereits am 31.8. 1862 eröffnet werden konnte. Das im Jahre 1868 auf der sudetendeutschen Seite des Koppenkegels vom Gastwirt Blaschke von den Grenzbauden erbaute Gasthaus ging 1870 in den Besitz Sommers über. Seit seinem Tode im Jahre 1875 befinden sich die beiden Koppenhäuser im Besitz der Familie Pohl.



Entnommen aus „Schles.Bergwacht“, SB63/N28/S507