Eine Hirschberger Geschichte

von Fritz Vielhauer

 

 

Es muß in den Jahren vor der Jahrhundertwende gewesen sein. Damals stand schon auf dem Kramstaweg ein Schloß, das dem Textilindustriellen v. Kramsta gehörte. (Daher der Kramstaweg.) Später ging der Besitz mit dem „Gut Paulinum“ in das Eigentum des Geheimen Kommerzienrates Caro über. Der sich ein neues prächtiges Schloß erbaute, das wir alle kennen. Der Herr v. Kramsta aber, von dem ich erzählen will, kam gern in die Stadt gefahren und ging seinen Schoppen trinken in der bekannten Weinstube von Wendenburg am Hirschberger Markt. Dort traf er sich mit seinen Freunden, und es wurde gelegentlich aus ein ausgedehnter Abendschoppen daraus. Gustav, sein Kutscher, wartete geduldig, fuhr um den Markt herum und trank auch mal in der Kutscherstube  einen Grog, wenn es kalt war. -

Kam sein Herr und Gebieter heraus, so ging die Fuhre ab zum Kreuzberg. Oben angelangt, knallte Gustav mit der Peitsche zum Zeichen seiner Ankunft, v. Kramsta stieg aus und ging in seine Gemächer. Gustav spannte aus und schlief darauf den Schlaf der Gerechten. -

So war es auch an einem Abend, da sich der Abendschoppen in die Länge zog. Gustav hatte schon drei warme Korn intus und war schläfrig. Er fuhr mit seinem Gebieter nach Hause – die Pferde liefen gut, sie wollten heim – wie Gustav. Vor dem Portal knallte Gustav gewohnheitsmäßig mit der Peitsche, spannte aus und schob den Wagen in die Remise. Er schlief schon eine Stunde. - Da, - was war denn da los? Der Diener klopfte ihn heraus. „Nu, woas hoats denn nu schun wieder?“ - Darob der Diener: „Wo ist der Herr v. Kramsta?“ „Nu, natierlich in seinem Bette!“ „Da ist er eben nicht!“ Langsam gingen die Gedanken dem Gustav durch den Kopf. - Also nischt wie raus und in die Hosen. Der Diener und Gustav beratschlagten. - „Mer missa in die Remise und noochsahn!“ - Und richtig, Herr v. Kramsta schlief seelenruhig in seiner Equipage. „Woas macha mer jitze?“ Die beiden schoben den Wagen heraus, Gustav spannte ein, war im Nu auf dem Kutschbock und fuhr zweimal um das Schloß. Jetzt vor dem Portal knallte er mit der Peitsche, diesmal aber kräftig, und siehe da – v. Kramsta erwachte, stieg gemütlich aus – ging in sein Schloß und die Ruhe war wieder eingezogen auf dem Kreuzberg. Gustav meente:“ Nu, doas is ja noch amol gutt geganga!“ - sprachs, und ging schloafa!

 

 

Entnommen aus „Schles. Bergwacht“, SB58/N34/S547