Der schwarze Tod in Schlesien.

Von Pestzeiten und dem Totengraeber zu Guhrau

Alfons Hayduk



Die Pest war das ganze Mittelalter hindurch eine furchtbare Geissel der Menschheit. Von Asien her, als orientalische Beulenpest bezeichnet, verheerte sie seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts immer wieder die europaeischen Laender. Der „Schwarze Tod“ war ein unheimlicher Gast, der die Menschen in Angst und Sehrecken hielt, eine immerwaehrende Heimsuchung. Die aberglaeubische Gemueter mit den seltsamsten Vorstellungen beunruhigte und zu den merkwuerdigsten Abwehrmassnahmen greifen liess. Auch Schlesien, das aufbluehende deutsche Land in Ostmitteleuropa, wurde von den Plagen und Verwuestungen dieser Seuche, der keine aerztliche Kunst Einhalt gebieten konnte, nicht verschont. Als im Jahre 1348 zum ersten Male die osteuropaeischen Voelker vom „Schwarzen Tod“ ueberfallen wurden, bemaechtigte sich eine zunehmende Unruhe auch des schlesischen Neustammes und zeitigte das scharenweise Auftreten von Geisselbruedern, auch Flagellanten geheissen. In riesigen Bussprozessionen zogen sie von Stadt zu Stadt, sangen Klagelieder und Busspsalmen und zerfleischten sich den meist entbloessten Oberkoerper mit heftigen Geisselhieben. Dabei kam es oft zu Ausschreitungen, gegen die die weltliche und geistliche Obrigkeit einschreiten mussten, um Ruhe und Ordnung im Lande aufrechtzuerhalten. Im Jahre 1349 hoeren wir erstmals von solch einem Zuge, der von Ungarn her ueber Ratibor in die schlesische Hauptstadt Breslau gezogen kam. Das schlimme Treiben der Geisselbrueder endete erst, als ihr Anfuehrer, ein aus Breslau stammender Diakon, den Tod auf dem Scheiterhaufen des Gerichts gefunden hatte. 1362 war das erste schlesische Pestjahr. Von Boehmen herueber zog die todbringende Krankheit das ganze Land bis Sagan hin, wo unter anderem vierzehn Augustinermoenche starben. Heimgesucht wurden auch Breslau, Brieg und Guhrau. Guhrau, dieses abgelegene Staedtchen oestlich von Glogau, zwischen Bartschniederung und posenscher Grenze, wird im Mittelalter des oefteren erwaehnt, lag es doch an der wichtigen Ost-West-Strasse von Kalisch her. Nach den Elendsjahren des 30-jaehrigen Krieges nun wuetete die Pest 1656 wiederum in Guhrau. Der Aberglaube herrschte und trieb krasse Blueten. Man suchte nach ungluecklichen Opfern, deren Zauberkunst und Hexerei man die Schuld an der Verbreitung der Seuche zuschob. Schon 1606 hatte man in Frankenstein den Totengraebern einen Prozess gemacht – jetzt traf es in Guhrau den dortigen Totengraeber, der als Pestbringer in Verdacht geriet. Sein Name ist uns ueberliefert, sein Prozess aktenkundig geworden. Es war Adam Henning. Da er leugnete, blieb ihm keine Folter erspart, um ihn zu dem gewuenschten Gestaendnis zu bringen. Schliesslich gab der entsetzlich gemarterte Totengraeber in seiner Qual zu, er habe, um die Pest in Guhrau hervorzurufen, tatsaechlich Giftpulver ausgestreut. Adam Henning wurde zum Tode verurteilt. Der Hinrichtung gingen grausame Martern voraus, wie sie die Verblendung jener dunklen Epoche in aller Welt zutage treten liess. Adam Henning starb wie tausende unschuldige Opfer seiner Zeit in allen Laendern. Das schlichte schlesische Volk suchte Schutz. Hilfe und Trost im Gebet. Schutzpatron wider Pestgefahr ist St. Hochus. Zahlreiche Kapellen wurden ihm geweiht. Das erste unter seinem Namen errichtete Spital erstand bereits im Jahre 1385 in Ohlau. Als letztes schlesisches Pestjahr gilt 1680. Zwar hat die noch bis vor hundert Jahren grassierende Cholera auch noch manches Opfer gefordert, jedoch brachten sanitaere Massnahmen diese Seuche schliesslich zum Erliegen. Das „Schwarze Weib“ der Cholera, unter deren Opfern noch der oberschlesische Zinkkoenig Carl Godulla zu beklagen ist, war ins Gegensatz zu den Nachbarlaendern aus Schlesien bald vertrieben. Die Oberschlesier behaupten, als einziges Erbgut jener schlimmen Zeit nur die Neigung zu scharfen Getraenken behalten zu haben. In Niederschlesiens Bezirken war zu Grossmutters Zeiten noch das mahnende Spruechlein gang und gaebe:“Trink Bibernell und Baldrian, da wird die Pest a Ende han.“