Die Hampelbaude und ihre Geschichte

von Erhard Krause


Am häufigsten unter den alten Gebirgsbauden des Riesengebirges wird in den alten Chroniken und Gebirgsführern die „Hampelbaude“ (1258m) erwähnt. Diese gilt allgemein als die älteste Winterbaude auf der schlesischen Seite des Gebirges, dürfte aber wahrscheinlich etwas jünger sein als die „Alte Schlesische Baude“, die bereits 1632 bestanden haben soll. Wann genau die Hampelbaude, die urkundlich in dem Grenzvertrag zwischen den Herrschaften Kynast und Starkenbach vom 17.Juli 1657 als „Danielsbaude“ erwähnt wird, erbaut wurde, ist nicht bekannt. Der Hirschberger Arzt und Dichter Caspar Lindner (1705 – 1769) der die ersten, in der Hampelbaude geführten „Koppenbücher“ aus der Zeit 1696 bis 1737 unter dem Titel „Vergnügte und unvergnügte Reisen auf das weltberufenen Schlesische Riesengebirge“ in Hirschberg herausgegeben hatte, schreibt über die Baude u.a.:

Der letzte Berg vor der Schneekoppe von Hirschberg aus , heißet der Seiffenberg. Hier hatte noch zur Zeit keine dergleichen Bauden gestanden. Um die Zeit des Kapellenbaues (auf der Schneekoppe) aber wurde eine errichtet und von den damaligen Teichwärter Samuel Breter bezogen.“

Demnach dürfte die erste ursprüngliche Hampelbaude als Wohnstätte für den Wächter des „Kleinen Teiches“ errichtet worden sein, gleichzeitig aber wird sie als Rast-und Unterkunftshütte der am Kapellenbau beteiligten Arbeiter gedient haben. Nach Angabe von Berthold Lessenthin in dessen Buch „Das Riesengebirge im Winter“ (Breslau 1901) hat der Gebirgler und Teichwärter Samuel Breiter diese erste hölzerne Hütte an der westlichen Seiffenlehne im Jahre 1654 errichtet.

Die Stelle, wo diese erste Baude „Samuelsbaude“ gestanden hat, ließ sich nicht mehr feststellen, man glaubt jedoch, daß diese in unmittelbarer Nähe der jetzigen Hampelbaude ihren Standort hatte. Die Namen Danielsbaude und „Tanlabaude“ führte sie nach den Rufnamen der Söhne des Erbauers (Tanla war der Kosename für Christian). Sie war auch unter den Namen „Letzte Baude und „Koppenbaude“ bekannt, da sie die letzte Einkehrstätte und Herberge auf der schlesischen Seite des Gebirges vor der Koppe war. Ihren jetzigen Namen erhielt sie nach den Gebrüdern Hempel (mundartlich Hampel), die sie 1750 von den Nachkommen Breiters erwarben. Ihr jeweiliger Baudenwirt war zugleich der Kirchvater der Koppenkapelle, da der Schlüssel zu dieser in der Baude verwahrt wurde.

Großen Komfort konnten die Nachtgäste der Baude, die aus einem Flure, einer großen Stube, einer Kammer, einer Küche, einem Kuhstall und einem Heuboden bestand, damals im 18. Jahrhundert natürlich noch nicht erwarten; sie mußten sich mit einem Lager auf Heu begnügen. Auch die Speisekarte ließ noch viele Wünsche offen. Immerhin wurden Kaffee, Milch, Butter, Käse, Brot , Branntwein, bisweilen auch Eier und vom Wirt selbstgebrautes Bier geboten. Der erwähnte Hirschberger Arzt Caspar Lindner schrieb jedoch lästernd:“ Unter den Getränken in dieser Baude ist das vornehmste und beste das lautere frische Wasser. Je zuweilen läßt sich auch das Bier wohl trinken, welches der Mann auf dieser Höhe bräut, aber öfter findet man keins im Vorrath.“

Der 1839 in Breslau gedruckte „Sudetenführer“ von Julius Krebs beschreibt die Baude wie folgt: „Nächst der Wiesenbaude ist wohl die Hampelbaude, 3866 F. hoch, ½ Meile nördlich am Westabhange der Seiffenlehne, am meisten besucht, und der gewöhnliche Lagerort der Koppenbesteiger von Seidorf, Arnsdorf oder Krummhübel her, sowie die Einkehr für Schleichhändler. Die Verpflegung ist nicht üppig, aber erträglich, Der Prager Dichter Karl Herloßsohn bemerkt von seinem Besuch in der Hampelbaude im Jahre 1840 :“Hier spielte eine blinde Harfnerin und tischten uns die jungen, hübschen Töchter der Wirtin ein Frühstück, bestehend aus Brot und Branntwein, ganz á la Riesengebirge, auf.“

Dem preußischen Ober-Konsistorialrat Johann Friedrich Zöllner, Verfasser eines interessanten Buches über Schlesien, der am 7. August 1791 in der Hampelbaude übernachtete, fiel auf, daß die beiden Brüder Hempel sich eine beachtliche Bildung im Umgang mit ihren Gästen angeeignet hatten. Er schreibt:“ In meiner Unterredung mit den beiden Gebrüdern fand ich eine Menge von Begriffen, die sie gewiß nicht aus eigener Beobachtung auf diesem öden Felsen, sondern aus dem Munde kultivierter Erzähler geschöpft haben, und die ganze Art unserer hiesigen Aufnahme ist wenig von der unterschieden, wie man sie in den meisten ländlichen Wirtshäusern gewohnt ist“.

In diesem Zusammenhang verdient Erwähnung, daß in der Hampelbaude viele illustre Gäste geweilt haben, so u.a. anno 1697 der Grundherr, Graf Leopold v. Schaffgotsch, anno 1723 Franz Anton Graf v. Spork, am 18.August 1800 König Friedrich Wilhelm III. Und die Königin Luise, und am 13. August 1797 der Dichter Heinrich v. Kleist, der sich mit der „Hymne an der Sonne“ in das Koppenbuch eintrug.

Auch Goethe soll in der Hampelbaude auf Heu übernachtet haben, bevor er im Morgengrauen des 23.September 1790 in Begleitung seines Dieners Goetze die Koppe bestieg, um den Sonnenaufgang zu erleben. Eine Eintragung des Weimarer Dichterfürsten in das Koppenbuch, das den Gästen der Baude vorgelegt wurde, ist jedoch nicht bekannt geworden. Am 14. August 1838 rastete der Maler Ludwig Richter in der Baude, der sie zeichnete. In sein Tagebuch bemerkte Richter von diesem Besuch:“ Unzählige Reisende. Damen getragen. Schöne Mädchen. Eine ungeheure Milchsuppe überschwemmt die Stube, da der Boden des Topfes bricht.“

In der Familie der Namensgeber Hempel, Hämpel oder Hampel blieb die Hampelbaude bis zum Jahre 1836. Die drei letzten Nachkommen aus dieser Familie – drei Schwestern Hempel – verkauften die Baude nach dem Tode des Vaters zm Zwecke der Erbteilung, für 940 Taler an Johann Adolph, dessen Familie sie bis zum Jahre 1866 bewirtschaftete. Dann übernahm sie als neuer Käufer Franz Kraus, der sie 1883 seinem gleichnamigen Sohn überließ. Die Baude, die im Laufe der Jahrhunderte mit Rücksicht auf die Gewinnung besserer Wasserverhältnisse dreimal ihren Standort wechselte, gehörte zu den umfangreicheren Gebirgswirtschaften und verfügte über einen Viehbestand von über 30 Rindern. Ein der Neuzeit entsprechender Auf-und Umbau der Hampelbaude erfolgte im Jahre 1876; durch diesen wurde allerdings die Physiognomie der alten Baude, wie sie uns das Bild von Ludwig Richter zeigt, völlig verwischt.

Der seit der Tätigkeit des Riesengebirgsvereins stark vermehrte Gebirgsbesucherverkehr, insbesondere der immer reger werdende Wintersportverkehr, veranlaßten den Besitzer zu weiteren Erweiterungen und zeitgemäßen Einrichtungen der Baude. In der Nacht vom 31. 3. zum 1.4. 1906 geriet das Gebäude jedoch in Brand und bei der großen Entfernung zum Tal kam die Hilfe der herbeieilenden Feuerwehren zu spät, so daß die Baude vollständig niederbrannte. Der daraufhin von den Gebrüdern Albert in Hirschberg ausgeführte Neubau der Hampelbaude vereinigte sehr glücklich modernes Berghotel und alte Baudenform und wurde von den Geschwistern Kraus vorzüglich bewirtschaftet. Zuletzt verfügte die Baude über 50 Fremdenzimmer mit 90 Betten, ein Massenlager, Zentralheizung, Restaurant und Café. Erfreulicherweise ist die Hampelbaude noch erhalten und weiterhin den Touristen zugänglich.


Entnommen aus „Schles.Bergwacht“, SB1978/Jgg. 28/S415

Abschrift v. W.Schön, Mail: genealogie@wimawabu.de 08.12.08