Der Huxtbieter - ein schlesisches Original

Jochen Hoffbauer



Auch durch das schlesische Jahr zieht sich die Liebe wie ein „roter Faden“. Sitten und Bräuche künden davon. Das Volkslied weint und klagt, lacht tränenden Auges, und wenn die Mägde sommerabends von den Feldern kamen, klangen die Lieder von Liebe und Treue weit in das schlesische Land.

Waren dann zwei soweit, die Brautschau vorbei und alle Widerstände überwunden, die es fast immer gab, trat der Huxtbieter auf den Plan. Eine gar wichtige und weit verbreitete Erscheinung. Seine Tätigkeit war umfassend und mit dem hochdeutschen Wort „Brautdiener“ schlecht übersetzt. Lange Abende saß er, um die vielen Einladungen zu schreiben. Mit gestochener Schrift: „An die Jungfer Agnes . . . .“, „An den Herrn Schulmeister . . . .“. Wer aber in der Nähe wohnte, wurde von ihm persönlich aufgesucht. So zwei bis drei Wochen vor der Huxt zog sich der Huxtbieter seinen besten Rock an, setzte sich den steifen Zylinder auf und steckte sich als Zeichen seiner Würde eine weiße Rosette mit Schleife an den Rockaufschlag. Da sahen sie alle gleich: Aha, der Huxtbieter kommt!

Er ist auch früher mit einem Stab gesehen worden, von dem bunte Blätter flatterten, und dessen Spitze mit Blumen verziert war. Überall, wohin er kam, brachte nun der Huxtbieter sein Anliegen vor und lud im Namen des Brautpaares und beider Eltern die Gäste ein, am genannten Huxttage „ock wirklich zu erscheina“.

Das war ein rechter Spass für die Kinder. Sie liefen scharenweise hinter dem feierlichen Manne her, und wenn sie es gar zu bunt trieben, drohte er ärgerlich mit dem langen Stock. Aber die Kinder hatten vor ihm keine Angst. Sie kannten ihn ja und freuten sich selber auf die Huxt.

Die schlesische Huxt war für den Huxtbieter eine anstrengende Angelegenheit. Er hatte fast überall seine Hand mit im Spiele. Wenn die „Brautfuhre“ oder das „Brautfuder“ ein paar Tage vor dem großen Fest durch das Dorf fährt, thront auf dem „Kanapee“ neben dem Kutscher der Huxtbieter. Am Hochzeitsmorgen muß er im Hause der Braut eine Ansprache halten. Alles „flennt“, denn die „Rusel“ geht nun für immer aus dem Hause. Aber wenn er die stolze Braut zum Traualtar führt, ist zum Traurigsein keine Zeit mehr. Am Nachmittag im Hochzeitshause sind der Fröhlichkeit vollends alle Türen geöffnet, und der Huxtbieter schüttet das Füllhorn seiner Trinksprüche, Lobreden und Rundgesänge unter die zahlreichen Gäste.

Über allem gewoge schwingt er sein goldenes Zepter der Heiterkeit und herrscht souverän. An der reichlichen Tafel – Nudelsuppe, gekochtes Rindfleisch mit Meerettichtunke, süße Tunke mit Rosinen und Pfefferkuchen, Schweinebraten mit unseren Klößeln und Sauerkraut, Kaffee und „Streeselkucha“, Bier und Schnaps – an dieser Tafel sorgt er dafür, daß ein jeder zu seinem Recht kommt, schlichtet schnell einen einen kleinen Streit durch lustige Worte und bringt schließlich die Sammlungen in Gang: für das Wiegenband – wer weiß, ob`s not tut! - für die Köchin, die sich ein Loch in die Schürze brannte für die armen Kinder des Dorfes und für ihn selber, weil er seine weißen gutten „Handschka“ verloren hatte.

Und nach dem Hochzeitstanz beim „Bräuer“, wenn es auf die Mitternacht zuging, kaum, daß er sich im Nebenstübel beim kräftigen Korn ein wenig erholte von allen Strapazen, wird die Braut „eingehaubt“. Die „Rusel“ bekommt Schleier und Kränzchen abgenommen und dafür hat der Huxtbieter ein besonders „scheenes“ Gedicht verfaßt, drei ganze Strophen lang und es reimte sich am Ende wahrhaftig jedesmal.

Sie waren Künstler, die Huxtbieter, Künstler auf ihre Art. Lebenskünstler bestimmt, und echte, unvergessliche schlesische Originale. Und wenn aus dem Born der unvergänglichen Erinnerungen die Bilder schlesischer Huxt vor dem geistigen Auge vorüberziehen, dann steht als guter Geist dieser Tage und Wochen der Huxtbieter vor uns, mit seinem bunten Stabe und dem schwarzen Rock .


Entnommen aus: „Schles.Bergwacht“ 1955