Der Goldbergbau im Boberland

Walter Finke


Als im Jahre 1241 die Mongolen unter Batu unser Land überschwemmten, erhob sich das schlesische Volk und brachte bei Wahlstatt in einem blutigen Treffen die unheilvolle Woge zum stehen. In rechter Waffenbrüderschaft fochten hier schlesische Ritter, Bauern, Bergknappen und Handwerker nebeneinander. Nach der Überlieferung blieben nicht weniger als fünfhundert Bergknappen aus Goldberg auf dem Schlachtfelde. Viele wurden gefangengenommen und bis hinter den Ural geschleppt, wo sie die zum Teil heute noch bestehenden Bergwerke anlegten. Die genannte Zahl zeigt uns, wie rege um Goldberg damals die bergbauliche Tätigkeit gewesen sein muß. Dabei ist zu bedenken, daß bei der Auslosung zum Waffendienst nur jeder dritte Bergmann erfaßt worden ist, wenn man der Überlieferung Glauben schenken darf.

Ein großer Teil der Bevölkerung, unter ihnen auch Bergleute, flüchtete vor den asiatischen Reitern in das Dunkel der Wälder. Auch in den hochgelegenen, damals noch undurchdringlichen Waldgebiete des Bober-Katzbach-Gebirges suchten die Flüchtlinge einen sicheren Unterschlupf.

Es läßt sich denken, daß die geflüchteten Bergleute in ihren Notunterkünften nicht müßig auf den Abzug des Feindes gewartet haben, sondern Berghänge, Talsohlen, Schluchten und Bäche nach dem Vorhandensein von Erzen, vor allem Gold, absuchten. Beim Aufwühlen des Sandes oder des Schuttes der Berghänge mögen sie durch vereinzelt vorkommende Erzstückchen den Weg zu den eigentlichen Goldlagerstätten gefunden haben. Sicher ist jedenfalls, daß an vielen Orten des Bober- Katzbach-Gebirges das sogenannte „Seifengold“ gewonnen wurde. Dieser Tätigkeit verdanken viele Ortschaften den Namen , z.B. Lauterseiffen, Schmottseiffen, Görisseiffen, Flachenseiffen, Querseiffen (*) u.a. Wie der Name „seiffen“ - wäschern, verrät, wurde der goldhaltige Sand gewaschen, um die darin vorkommenden Goldkörnchen – und Blättchen auszusondern. In gewissen Abständen, neben- und hintereinander liegend, grub man vier 3 – 4 m tiefe halbrunde Gruben, sogenannte Pingen, bis man auf das Urgestein gelangte. An verschiedenen Orten lagen die goldhaltigen Schichten so tief, daß es sich lohnte, Stollen anzulegen.

Noch zu Beginn dieses Jahrhunderts konnte man die Zeugen früheren Bergbaues durch das Vorhandensein verfallener Tagesschächte (Pingen oder Duckel), die sich oft meilenweit hinzogen, sowie merkliche Geländesenkungen, durch den Zusammenbruch alter Stollen entstanden, in der Landschaft wahrnehmen. Im Löwenberger Stadtarchiv fanden sich noch Zeugen der einstigen Tätigkeit in den aufbewahrten Goldrechten des 13. und 14. Jahrhunderts.

Von vielen Stätten einstiger Betriebsamkeit ist keine Spur mehr übriggeblieben. So bestanden allein in Langenau zu Anfang des 16. Jahrh. drei gutgehende Goldbergwerke, deren Existenz sowie deren Lage selbst den Einwohnern nicht mehr bekannt war. Eine vor kurzem aufgefundene Skizze über Goldlagerstätten bestätigte meine Vermutung, daß sich diese Bergwerke, wahrscheinlich Stollen, auf den Höhen des im Süden von Langenau gelegenen Stadtwaldes, genannt „Menzels Puusch“ befunden haben müssen. Nach den Berichten eines aus Hirschberg ausgesiedelten Landsmannes , welcher im Januar 1956 die Heimat verließ, wurde einige Zeit hindurch in dem Gebiet der sog. „Buschkate“ zwischen Langenau und Grunau, die sich unmittelbar an den Steinwald anschließt, nach Uran geschürft, jedoch mit wenig Erfolg. Die Versuche wurden bald wieder eingestellt. Diese Tatsache wird umso verständlicher, wenn man bedenkt, daß im benachbarten Grunau einst der Bergbau auf Gold betrieben wurde. Das Bergwerk trug den Namen „Die heilige Dreifaltigkeit“ und wurde vermutlich schon um 1490 herum angelegt. Dies beweist eine Urkunde aus dem Jahre 1498, in der Dipprant von Reibnitz, damaliger Landeshauptmann von Schweidnitz und Jauer, dem Rat zu Hirschberg das Recht zur Anlage eines Bergwerkes bei Grunau verleiht. Die Berggerechtsame wurden 1569 an einen gewissen Franz Fröhlich vergeben. Dazu gehörten u.a. auch Wegerechte sowie die Befugnis, aus den städtischen Wäldern Holz zur Errichtung von Schächten und Stollen zu entnehmen. In der Vertragsurkunde wird auch die Anlage von zwei Pochhämmern zur Zerkleinerung der erzführenden Gesteine erwähnt.

Das Bergwerk muß nach den auf uns gekommenen Berichten sehr ertragreich gewesen sein. Die Grunauer Bauern indessen waren von der Sache keineswegs sehr begeistert, weil durch die anzulegenden Schächte und Gebäude manches Stück Acker oder Wald verdorben wurde und Ersatz dafür nicht geleistet wurde, bzw. nicht sofort. Die Bauern setzten sich dagegen zur Wehr, indem sie den Bergleuten durch Mißhandlungen entgegentraten und sie daran hinderten, die Arbeit fortzuführen. Zwei Schreiben der Kaiserlichen Kammer zu Breslau an den Rat der Stadt Hirschberg bringen zum Ausdruck, „daß man von dem Schichtmeister erfahren habe, daß die Bauern zu Grunau die Bergleute hinderten, und die Stellen bezahlt haben wollten, darauf geschurrft, oder die Halde (Büsche) gestürzt werden müßten.“ Man ersucht die Hirschberger Ratsleute um Schutz für das Bergwerk, „damit sie in dem Bergbaue, welcher sich Gott lob mit Silber und Gold wol beweiset, ungehindert fortfahren möchten.“ Gleichzeitig verspricht man, sich nach der Bergordnung sich wegen des gemachten Schadens mit den Bauern abzufinden. Das Schreiben datiert vom 2. März 1594.

Die Grunauer Bauern indessen schienen sich nur schwer bändigen zu lassen, denn, wie ein Schreiben vom 12. Mai desselben Jahres verlautet, mußte erneut eingeschritten werden. Es wird dem Hirschberger Rat aufgetragen, „die Grunauer Bauern, die sich an den Bergleuten vergangen hätten, zu straffen, ihren ferneren Mißhandlungen Einhalt zu thun.“ In dem Schreiben wird auf eine Eingabe der Grunauer Bergleute verwiesen, die gegen die Bauern Klage führte, „welche ihnen die Haspel eingeworfen, zerschlagen, und auch gewonnenen Erz zerstreut und verworfen hatten etc. und wo es dergestalt mit der Arbeit beschaffen sei, daß keiner sich sehen lassen dürfe.“

Wie der Streit ausgegangen ist, wissen wir leider nicht. Jedenfalls hörten nach 1600 die Nachrichten über den Bergbau in Grunau auf. Im Jahre 1850 versuchte man wiederholt Nachgrabungen auf dem sog. Silberberge, desgleichen während der nächsten 15 Jahre Schürfungen nach Kupfer und Magneteisenstein. Die Ausbeute war sehr gering und die Schwierigkeiten durch Quellwasser so groß, daß man die Arbeit wieder einstellte.

Mangels technischer Hilfsmittel war es den Bergleuten früherer Jahrhunderte nicht vergönnt, die Schätze der Erde voll zu erschließen; es mag ein großer Teil an Gold und anderen Mineralien im Schoße der Erde verblieben sein. An eine Wiederinbetriebnahme der versoffenen Schächte mit Hilfe der damals gebräuchlichen Wasserhebewerke war kaum zu denken. Recht mühsam war auch die Handhabung der Gesteinsbohrer, die mit Hand betrieben werden mußten. Es läßt sich denken, wie lange man brauchte, um ein Sprengloch fertigzustellen.

In der Regel währte im Löwenberg-Goldberger Kreise der Bergbau auf Gold, Kupfer und anderen Mineralien bis zum 30-jähr. Krieg, dann kam er größtenteils zum Erliegen. Gegen Ende des 19. Jahrh. wandte ein Bergingenieur Moeller aus Hirschberg, ein erfahrener Goldsucher, der jahrelang in Amerika und Australien tätig war, den vielen alten Stollenresten und Pingen des verlassenen Bergbaues seine Aufmerksamkeit zu. In einer Mulde bei Hußdorf trieb er in den gegen Wünschendorf ansteigenden Windmühlenberg einen neuen Stollen und erreichte mit diesem die mehrere hundert Jahre alten Grubenbaue des früheren Bergbaues, mit welchen er dann den weiteren Verlauf der goldführenden Gänge feststellen konnte. Auf Grund dieses Nachweises erfolgte im Jahre 1905 die Verleihung der vier Gold- und Arsenerzfelder Hußdorf I., Hußdorf II. Dennoch Glückauf und Wünschendorf. Diese vier Grubenfelder ziehen sich in Form eines langgestreckten Rechtecks vom Bober beim Bahnhof Mauer – Waltersdorf über Hußdorf und Wünschendorf bis Klein-Röhrsdorf. Nach Verleihung der Bergrechte durch das Bergamt Breslau kam wieder neues Leben in die Grubenbaue. Es wurden drei neue Stollen und zwei Schächte getrieben und die Anschlußarbeit fortgesetzt. Nach fünfjähriger Betriebsdauer mußte dieses so hoffnungsvolle Beginnen aus Kapitalmangel wieder eingestellt werden. Dabei ergaben die angestellten Analysen, für welche Moeller aus den Erzvorgängen in sorgfältigster Weise Proben entnommen hatte, einen durchschnittlichen Gehalt von 15 – 20% Arsen und einen Goldgehalt von 5 und 185 Gramm pro Tonne erzhaltigen Gesteins. In den sogenannten Hilfsstollen wurde ein 80 cm mächtiger Quarzgang erschlossen, der besonders reich an Gold, Silber und Kupfer ist. Die Mächtigkeit der Gänge im allgemeinen schwankte zwischen einigen Zentimetern bis zu einem Meter.

Im Laufe von zehn Jahren verfielen die Grubeneingänge wieder. Erst im Jahre 1917 erwarb der Bankier und Großindustrielle Arendt in Berlin die Berggerechtsame. Er ging mit einer größeren Belegschaft an die Wiederherstellung der Grubenbaue. Es wurden neue Erzgänge erschlossen und im östlichen Feldteil zwei neue Stollen angelegt mit dem Ziel, den in Hußdorf gelegenen „Wilhelmstollen“ mit einer Ausdehnung von 1 400 m anzuschließen. Auf diese Weise sollte die Förderung aus dem westlichen Revier nach der Aufbereitungsanlage wegen des besseren Anschlusses zur Eisenbahn in Mauer-Waltersdorf begünstigt werden. Die Gesamtlänge der Stollen betrug inzwischen etwa 3 Kilometer. In dieser Zeit entstanden auch der obere und untere Mauerstollen neben der Teufelsmauer.

Nach Beendigung des Weltkrieges kam auch dieses so hoffnungsvolle Unternehmen zum Erliegen. Im Jahre 1922 erwarb die Bergbau A.G. „Fichtelgold“ in Brandholz/Ofr. die Grubenfelder. Das Projekt des Vorgängers sollte zu Ende geführt werden. Die neue Besitzerin nannte außerdem acht Gold-, Silber-, Antimon-, Arsen. und Schwefelgruben Ihr Eigen, mit denen sie hinreichend beschäftigt war. Die Hußdorfer Gruben sollten eine Reserve für später darstellen und wurden daher lediglich im betriebsfähigen Zustand gehalten. Als die Gesellschaft 1925 in Konkurs ging, verstummte auch in Hußdorf das „Glückauf!“ der Bergknappen. Was nach 1945 mit dem Hußdorfer Revier geschehen ist, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen.

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Andere Zeitgenossen vertreten die Ansicht, daß die Endung „seiffen“ aus dem Westfälischen stamme und in der Abänderung „siepen“ oder „sieffen“ soviel wie „weben“ bedeute. In der Tat ist erwiesen, daß in Flachenseiffen einstmals die Schleierweberei in hoher Blüte stand. Angeblich sollen westfälische Weber aus Bielefeld das Weberhandwerk in unsere heimatlichen Berge getragen haben. Letzteres ist jedoch nicht nachweisbar.



Entnommen aus „Schles.Bergwacht“ 1956, (SB56/N15/S259)