Seifershau und das Kemnitztal

 

 

Wer sehnt sich nicht zurück nach einem sonn- oder feiertäglichen Spaziergang bei sonnigem klaren Wetter auf den Seifershauer Berg. Nicht lange genug konnte man auf einer Steinbrücke oder am Saum des dunklen Fichtenwaldes verweilen, um sich des Blickes zu erfruen, die dieser fast 750 m hohe Bergrücken in eine liebliche Landschaft mit runden Kuppen, sanften Hängen und kecken Kegelbergen gewährt. Auch der mühselig in dieser rauhen Höhe seinen Acker bestellende Landmann und der im nahen Forst werkende Waldarbeiter, denen dieser Blick doch etwas alltägliches war, werden dann und wann, vielleicht wenn zur Schneeschmelze der Föhn besonders gute Sicht brachte oder an klaren Herbstagen einen Augenblick innegehalten haben, um diesem Bild immer wieder neue Reize abzugewinnen. Der ihnen unmittelbar zu Füßen liegende Landschaftsstrich hat seinen eigenen Charakter. Die alpine Wildheit des Riesengebirges mit den zerzausten Bergkiefern fehlt zwar, aber die sanfte, fast schwermütige Ruhe des Isergebirges gibt sich im dunkel bewaldeten Kemnitzberg mit seinen Ausläufern und im Kemnitztal selbst zu erkennen. Im Osten wird das Landschaftsbild Lebendiger; steile Hänge wechseln jäh mit breiten oder schmalen, fruchtbaren Niederungen. Der Wald tritt zurück; Dörfer, mit beginnender Dunkelheit als leuchtende Perlenschnüre weit sichtbar, besiedeln die Höhen. Das Bober-Katzbach-Gebirge mit seiner Anmut und Romantik macht hier seinen Einfluß geltend. Auf diesem Wege eilt der Kemnitzbach, dem das geschilderte Tal seinen Namen verdankt, dem großen Bruder Bober zu. Er nimmt das weiche, klare Wasser aus den Quellen des Isergebirgsgneises auf, aber er vereinigt auch die härteren und nährstoffreicheren Wässervon den sanften Geschiebe-Lehmhängen und aus dem Schiefer des Bober-Katzbach-Gebirges in sich.

--------------------------------------------------

Auch politisch war das Kemnitztal nicht einheitlich. Zum Kreis Hirschberg gehörten die Gemeinden Altkemnitz, Berthelsdorf, Hindorf, Krommenau, Ludwigsdorf, Neukemnitz, Reibnitz und Seifershau.

Die Gemeinden Antoniwald, Birngrütz, Blumendorf, Kunzendorf a.kahlen Berge und Neusorge fielen in`s Kreisgebiet von Löwenberg. Altkemnitz war unstreitbar der wirtschaftliche Mittelpunkt des Kemnitztales. Sein Bahnhof an der Strecke Hirschberg – Görlitz diente nicht nur dem Personen-Verkehr, sonder nahm als größerer Güterumschlagplatz eine wichtige Funktion für den Waren-

Verkehr der näheren und weiteren Umgebung ein. Die Reichsstraße 6 führte durch Reibnitz und Berthelsdorf. Auch die anderen Orte waren mit festen Straßen verbunden.

Die Land- und Forstwirtschaft, ob sie nun dem Haupt- oder Nebenerwerb diente, war der Haupt-

Wirtschaftszweig des Kemnitztales. Daneben trat das Wasser als Energiequelle für mehrere Fabri-

kationszwecke besonders hervor. Es bespannte Brettschneiden, Getreidemühlen und auch, in Krommenau, eine Glasschleiferei. Als industrielle Betriebe sind zu erwähnen eine Flachsröste in Altkemnitz, eine Papierfabrik und eine Eisengießerei in Berthelsdorf. Im übrigen wurde die gewerb-

liche Wirtschaft hauptsächlich durch ein alteingesessenes Handwerk vertreten. Die Heimarbeit (Rechenmacher usw.) war noch in den eigentlichen Gebirgsdörfern, wie Seifershau, Ludwigsdorf und Antoniwald , zu Hause. Bei der Industrie im Hirschberger Talkessel fanden schließlich viele Einwoh-

ner des Kemnitztales Arbeit und Brot.

Seit der Jahrhundertwende wurde das Kemnitztal mit seinen landschaftlichen Reizen und Eigenheiten mehr und mehr dem Fremdenverkehr erschlossen. Hier waren Seifershau und Ludwigsdorf mit ihren besonders guten Ausflugsmöglichkeiten die Wegbereiter. Am Ende des Tales erstand in sehr geeig-

neter, ruhiger Lage ein über die Grenzen Schlesiens hinaus bekanntes Sanatorium.

 

Entnommen aus: „Schles.Bergwacht 1955