Christoph von Reisewitz auf Alzenau

von Walter Finke

 

 

Eine der merkwürdigsten Erscheinungen unter den schlesischen Rittern war Christoph von Reisewitz. Er gehörte zu denen, welche unter der traurigen Regierung des frommen, aber schwachen Königs Ladislaus das Räuberhandwerk betrieben, oder, wie man es ehrenvoller nannte, vom Stegreif lebte. Man hielt ein solches Treiben, das oftmals mehr einem Kleinkrieg des verarmten Edelmannes mit den reichen Städten, damals für kein so großes Vergehen. Selten aber hat ein Ritter darin so viele Taten aufzuweisen wie der Reisewitz. Ebenso listig wie persönlich Tapfer, ebenso rachsüchtig wie großmütig, trägt das Leben dieses Mannes Züge widersprechenden Charakters. Gewöhnt an die Unsitte jener Zeit, durch Raub und Plünderung ungestraft das Recht des stärkeren zu üben, ward er zur Geißel der menschlichen Gesellschaft. Ausgestattet mit hohen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, besaß er eine stattliche Gestalt. Von Kopf bis zur Zehe gepanzert, trug er ein langes breites Schwert nebst einer schweren Streitaxt. Seine Rüstung bedeckte ein Bärenfell, das Pelzwerk nach außen gewendet, und vom Helme wogten drei schwarze Hahnenfedern nieder. Wegen seines schwarzen Bartes und Haupthaares, - es wallte bis auf die Schultern nieder, - wurde er „Der Schwarze Christoph“ genannt. Er muß recht furchterregend ausgesehen haben; die Bevölkerung bediente sich sogar seines Namens, um unartige Kinder damit zu erschrecken.

Stets erschien der Reisewitz zu Pferde und mit großem Gefolge umgeben; bald hier, bald da tauchte er zum Schrecken aller Reisenden und Fuhrleute auf. Das Schloß Alzenau nahe dem Gröditzberg diente ihm als Wohnsitz. Besonders hatten die Goldberger und Löwenberger unter den Raubzügen des Ritters zu leiden. Der der Stadt Goldberg gehörige Hainwald diente dem schwarzen Christoph oft als Schlupfwinkel. Hier überfiel er im Jahre 1506, es war der Montag nach Laetäre, einige Löwenberger Kaufleute, welche vom Breslauer Markte zurückkehrten und nahm ihnen 1 400 Gulden ab. Der Überfall ereignete sich in der Nähe des Kretschams im Walde. Drei Bürger, George von Zedlitz auf Braunau, Bürgermeister Tschörtner und Thomas Hans wurden dabei erschlagen.

Es gab nichts, was Christoph nicht gebrauchen konnte. Als ihm einmal eine Krämerin in die Hände fiel, nahm er ihr sämtliche Leinwand, Gewürz, Bücher und Mönchskleider weg. Ein Ochsentransport des Fürsten von Meißen wurde ebenfalls geplündert. Kaufleute aus Nürnberg, die regelmäßig nach Breslau zum Markte zogen, brachten dem Christoph oft einen fetten Happen ein. Da ließ eines Tages ein Verwandter von ihm mehrere Fässer lebender Karpfen durch die Gegend transportieren; Christoph scheute nicht, auch diese sich anzueignen.

Große Achtung hatte der Räuber vor den Gelehrten. Diese verschonte er fast immer, jedoch mußten sie sich als solche erst ausweisen, indem sie eine Feder schnitten oder eine Zeile schrieben. Schließlich dehnte der Reisewitz seine Tätigkeit darauf aus, vornehme und reiche Männer gefangen zu nehmen, um sie gegen ein hohes Lösegeld wieder auf freien Fuß zu lassen.

So nahm er einst den Breslauer Stadtschreiber nebst einigen Edelleuten gefangen und ließ sie gegen ein versprochenes Lösegeld  frei. Als dieser das Lösegeld dem Versprechen gemäß in der Liegnitzer Stadtheide an Reisewitz übergeben wollten, wurden sie vom Herzog Karl von Münsterberg gefangengenommen und so verhindert, ihr Wort zu halten. Christoph geriet darüber in einen fürchterlichen Zorn und schwur Rache, wenn er das Geld nicht auf den Sonntag Jubilate ausgezahlt erhielt. Die Breslauer gerieten in Furcht, als sie diese Absicht vernahmen und schrieben an den Herzog, er möchte doch vermittelnd eingreifen, „daß der Schwarze Christoph sich noch eine zeitlang gedulden möchte, sie würden ihn gewiß befriedigen.“ Der Herzog brachte dann auch wirklich eine Versöhnung zwischen den Parteien zustande.

Trotz seiner vielen Untaten genoß der Schwarze Christoph, wie man oben ersehen kann, ein gewisses Ansehen. Einflußreiche Familien, wie die Zedlitze, gewährten ihm bei seinen Streifzügen Unterschlupf. Daher begegnet man vielfach der irrtümlichen Auffassung, Christoph stamme aus dem Geschlecht derer von Zedlitz. Selbst mit dem schlesischen Herzog saß er zu Tische. Im Jahre 1500 berieten sogar mehrere Edelleute, wie sie dem Grafen von Glatz, welcher den Reisewitz unschädlich machen wollte, nachstellen könnten.

Dessen ungeachtet hatten die Löwenberger und Goldberger schon lange überlegt, wie sie den Straßenräuber und Schänder der ritterlichen Ehre zu fassen bekämen. Eines Tages war es soweit. Christoph saß mit seinen Spießgesellen gerade in seinem festen Schloß zu Alzenau bei einem fröhlichen Fest, da drangen die Bürger mit vereinter Macht in das Schloß herein. Bei dem blutigen Gefecht viel Christoph in die Hand seiner Feinde. Man brachte ihn mit Jubel nach Liegnitz. Der Prozess zog sich aber sehr in die Länge, weil der Anhang des Ritters groß war und viele Vornehme des Landes sich seiner annahmen. Auch der Herzog von Liegnitz , der damals mit den Breslauern in Streit lebte, scheint ihm Hoffnung auf Befreiung gemacht zu haben.

Bei den Verhören suchte er sich zwar dadurch von der Schuld freizumachen, daß ihm jedermann das Seinige freiwillig gegeben, und nur bei den frommen Löwenbergern hätte er Gewalt anwenden müssen, weil sie sich bis auf den Tod gewehrt hätten.

Es half aber nichts, Christoph wurde zum Tode verurteilt. Wann der Bösewicht sein Leben lassen mußte, ist nicht genau bekannt. Nach einem Liegnitzer Stadtbuche ist er im Jahre 1512 gehenkt worden. Eine andere Quelle teilt mit, daß er am 13. April zu Liegnitz enthauptet worden ist. Fest steht nur, daß er, als er in Gesellschaft eines mitverurteilten Knechtes zur Richtstätte geführt wurde, seinen getäuschten Hoffnungen wie folgt Ausdruck gab: „Ich habe zu viel getrauet; hätte ich gedacht, was David im Psalter sagt: Verlaßt euch nicht auf Fürsten, sie sind Menschen und können nicht helfen, so ständen meine Sachen besser, hätte ich mich eines anderen versehn“.

Der mitgefangene Knecht glaubte, sich dem Schicksal seines Herrn entziehen zu können. „Liebe Herren von Städten und sonderlich von Löwenberg“, so bat er, „ihr wollet meiner Jugend schonen. Was ich getan, habe ich als treuer Diener meines Herrn tun müssen. Ich will von nun an euer treuer Diener sein, fleißig arbeiten und euch treulich dienen, und wo mir dieses nichts helfen sollte, will ich auch endlich – ein Weib nehmen.“ Man hatte aber kein Erbarmen, auch an den Knecht wurde  das Urteil vollstreckt.

 

 

Entnommen aus „Schlesische Bergwacht“ 1956/N24/S430

 

Erstellt: W.Schön; Mail: genealogie@wimawabu.de