Bleichen – Romantik

von anno dazumal

P.K.



Wo Leinwandspinnerei und Weberei altansässig war, so war in der näheren Umgebung dieser Erzeugnis-Stätte natürlich auch die Bleicherei zuhause, denn die Rohleinwand muß, von gewissen Ausnahmen abgesehen, gebleicht werden, damit sie in tadellosem, schneeigem Weiß prangt. Wie in der benachbarten sächsischen Oberlausitz konnte man auch in den schlesischen Leinwandgebieten umfangreiche Leinwandbleichen sehen und bestaunen, die insgesamt eine große Zahl von Bleichern beschäftigten, ein Beruf, der auch gelernt sein mußte und auf allerhand alten Erfahrungen beruhte.

Diese Bleichereien waren meist Teilbetriebe der einstigen Leinwand-Großhändler, die ihrerseits von den Hauswebern einkauften, bis dann die Zeit der Fabriken kam, die auch den meisten selbstständigen Bleichern ein Ende bereiteten und deren Tätigkeit ihren Betrieben angliederte.

Der Betrieb der Bleichen erforderte die Leitung durch erfahrene BLEICHMEISTER. Und da mein Großvater mütterlicherseits Bleichmeister in Lauban war, so habe ich von früher Jugend an viel von Bleicherei erzählen hören. Die Laubaner Bleichen lagen beiderseits am Queis, dessen Wasser zum Bleichen sehr geeignet war. Daher gab es auch bei Friedeberg und bei Greiffenberg Queisbleichen, wobei man Garn und Leinwandbleichen unterschied. Und so war es überall an den schlesischen Gebirgsflüssen und -Bächen, an denen Leinwand-Spinnereien und Webereien ansässig waren: im Hirschberger Tal, im Landeshuter Bobergebiet, im Waldenburger Gebirge, im Eulengebirge und in der Grafschaft Glatz, natürlich auch in Oberschlesien.

Ich möchte hier etwas näher auf die Bleichen im HIRSCHBERGER-TAL eingehen, die meist an den vom Kammgebiet des Riesengebirges herunterkommenden größeren Gebirgsbächen bestanden: am Zacken, am Giersdorfer Wasser, an der Eglitz, der Lomnitz, der Schwarzbach usw. Über ihnen allen lag ein Hauch der landschaftlichen Romantik, wovon in alten Gebirgsbüchern usw. viel zu lesen war.

In manchen Gebirgsorten wie z.B. in Giersdorf, gab es sogar einige Bleichen. Und im ISERGEBIRGE (Queis-u.Kemnitztal) war es ebenso. Es gab damals auch Maler, die in den weithin sichtbaren Bleichwiesen ein dankbares Objekt sahen. Daß diese Romantik, die noch vor 140 Jahren vorhanden war, später nach und nach erlosch, hängt mit der neuzeitlichen Entwicklung der Leinwand-Industrie im Bereich des oberen Bobergebietes zusammen. Es muß ein unvergeßlicher Anblick gewesen sein, als man damals vom Kamme und von den Gipfeln des Riesengebirges tief unten im Hirschberger Tale die regelmäßigen schneeweißen Figuren der Leinwandbleichen sah. Das fiel auch dem späteren Generalfeldmarschall Graf von Moltke auf, als er 1825 und 1828 als junger Generalstabsoffizier dienstlich im schlesischen Grenzgebiet weilte und größere Wanderungen im Riesen-u.Isergebirge unternahm, über die er in seinen Briefen an seine Angehörigen begeistert berichtete.

In jener Zeit gab es im Hirschberger Tal auch bedeutend mehr Teiche als in unserer Zeit, sodaß das Bild des Hirschberger Tales, vom Kamme gesehen, damals wesentlich anders war als in unserer Zeit.

Erst vor kurzem las ich die vorzügliche Darstellung von Elsa Leyendecker über jene Bleichenromantik vor alten Zeiten, als noch die schneeweißen Garne bleichten, wenn man sie von höher gelegenen Stellen überblicken konnte, den Eindruck machten, als sei mitten im Sommer Schnee gefallen.


Entnommen aus: „Schles.Bergwacht“ 1955