Berühmte Originale

unseres Riesengebirges aus vergangener Zeit

Bodo Schi-.



Dem Zeichner und Maler bot unser Riesengebirge reiche Ausbeute an malerischen Winkeln und Motiven, der Botaniker fand charakteristische Pflanzen, Mineralogen und Zoologen füllten ihre Kästen mit seltenem Gestein, Käfern und Schmetterlingen. Aber auch wer Charaktere studieren wollte und Sinn für Volkstypen besaß, kam hier auf seine Rechnung. Häufig ist man in früheren Zeiten seltenen Meschen unter der Gebirgsbevölkerung begegnet. Man denkt dabei an manche urwüchsige Bergführergestalt.

Eine solche war zweifellos Samuel Breter (Bretter), der erste Koppenführer. Er war um 1700 bis 1740 Wirt der Breter- oder Samuelsbaude, der heutigen Hampelbaude, gleichzeitig war er Teichwärter und nebenbei auch Kapellenwart. Für die Unterhaltung seiiner Gäste sorgte er nach Kräften schon am frühen Morgen, indem er bei Sonnenaufgang auf Wunsch aber auch zu jeder anderen Tageszeit, auf seinem Waldhorn vor der Baude ein Lied blies. Auch zur Begrüßung und zum Abschied der Gäste (Reisenden) ließ er sein Instrument erschallen.

Dann ist der alte Fiedler zu nennen, der berühmteste aller Riesengebirgsführer, der einstmals den König Friedrich-Wilhelm II. und Königin Luise führte. Von ihm war sogar ein Bild im Steindruckverfahren hergestellt worden. Dies war zu damaliger Zeit ein außergewöhnlicher Fall, und das Bild, das oft verkauft worden ist und sehr verbreitet war, stellte den Fiedler, den Tragkorb von Gitterwerk auf dem Rücken, in langschäftigen Stiefeln einherschreitend, dar.

Einer jüngeren Zeit gehört der frühere, langjährige Besitzer der Wiesenbaude, Christoph Häring an, den mancher alte Gebirgler noch persönlich gekannt haben mag. Er war in jeder Beziehung eine originelle und dabei doch achtenswerte Persönlichkeit. Als Kraxenträger und Führer hatte er sich eine Kenntnis des gesamten Riesen- und Isergebirges angeeignet, in der ihn damals kein Gebirgler übertraf. Häring war der Typus des echten Riesengebirglers und dabei ein idealer Führer, anstellig, diensteifrig, bescheiden, Selbstlos, dabei mutig bis zur Verwegenheit. In hohem Maße besaß er die Gabe, schlicht und doch packend zu erzählen. Wenn er seine Erinnerungen, die vier bis fünf Generationen zurückreichten, zum Besten gab, hing alles gespannt an seinen Lippen. Gern sind Fremde und Kenner des Gebirges immer wieder in seinem gastlichen Hause eingekehrt, namentlich die Riesengebirgsbotaniker, deren Standquartier die Wiesenbaude geradezu war. Im hohen Alter mußte sich Häring schweren Herzens entschließen, sich im „Preußischen“ anzusiedeln, wo er bereits eine Besitzung, die damalige „Schnurrbartbaude“, hatte. Hier ist er 1887 gestorben.

Den Touristen, die in der Zeit von etwa 1840 – 1880 des öfteren die Koppe besuchten, war die wunderliche Figur des „Flurhons“ eine vertraute Erscheinung. Er hieß eigentlich Florian-Hannes und war der höchste Leier- und Handelsmann dieseits der Alpen. Am Fuße des Koppenkegels hatte er sich aus Felstrümmern und Brettern eine „Villa“ errichtet, die er alljährlich von Mai bis in der Spätherbst bewohnte. Nur der Winter trieb ihn nach seinem Heimatort Groß-Aupa hinunter. Wenn ein Tourist sich der Flurhans-Baude auf etwa 50 Schritt genähert hatte, kam ihr Besitzer heraus und begann ein Leierkonzert, dessen Dauer sich nach der Höhe der gespendeten Gabe. Bisweilen fanden wohl auch die vor der Tür ausgelegten Waren – ein paar Spielsachen, etliche Gebirgsstöcke, ein Heftchen mit Rübezahlsagen, ein paar Schachteln mit Veilchensteinen – einen anspruchslosen Abnehmer. Jahrzehnte seines Lebens hindurch war Flurhans ein Krüppel, man hatte ihm die Füße, die er sich in einer furchtbar kalten Winternacht bei einer Pascherunternehmung erfroren, abnehmen müssen, sodaß ihm das Laufen auf den durch Polster gestützten Strümpfen sehr sauer wurde.

Ein Gegenstück zum Flurhons war das „Geigenmännchen“ von Rochlitz, das in den 60- und 70er Jahren den Touristen, die den Kammweg zwischen Sturmhaube und Mädekamm passierten, auf seiner Violine eins aufspielte oder auch sich selbst begleitend, ihnen ein Liedchen sang. Den Weitergehenden gab der immer heitere Greis stets noch ein paar freundliche Worte mit auf den Weg. Öfter wiederkehrende Touristen kannte er mit Sicherheit aus der Reisegesellschaft heraus. Er bekundete dann immer seine lebhafte Freude über das Wiedersehen und erkundigte sich nach dem Ergehen der alten Bekannten. Auch des Geigenmännleins etwas seitwärts des Weges gelegene Obdach glich – wie das des Flurhons – eher einer Steinhöhle, als einer menschlichen Behausung.

Zwei Originale nicht gewöhnlichen Schlages hatte vor 70 Jahren die Spindlerbaude – unter dem damaligen Besitzer Hallmann – aufzuweisen: Fritz Schreyer, der bekannt unter dem Namen „Der Scharze“ und den Harfenspieler Joseph Thomas aus Rochlitz. „Der Schwarze“ hatte sich durch seine Treue und Selbstlosigkeit das Vertrauen Hallmanns in hohem Grade erworben, er war gewissermaßen sein „Generalbevollmächtigter“. Hallmann rühmte an ihm, daß er das ihm anvertraute Geld besser zu verwalten verstände, als sein eigenes. Nach Hallmanns Tod hat er sich zum zweiten „Ahasver“ ausgebildet, und niemand dürfte in der Lage gewesen sein, seinen eigentlichen Wohnort anzugeben.

Thomas der Harvenspieler war eine ehrwürdige Greisengestalt mit langem, silberweißen, über die Schulter herabfallenden Locken. Er spielte zugleich mit dem Hauptinstrument noch drei andere Instrumente: Mundharmonika, die am oberen Teil der Harfe angebracht war, eine Pauke rechts und eine Triangel links, die mit den Füßen regiert wurden. Sein Stolz war seine schöne Tochter Josephine, die zu seiner Harfe Lieder sang. Thomas war nicht frei von Künstlerlaunen. Mancher bot ihm reichlich Geld ohne ihn aber bewegen zu können, seiner Harfe auch nur einen Ton zu entlocken, ein anderer lud ihn zu einer Flasche Wein ein und der Alte spielte ohne ein Ende zu finden. Auch in der Wiesen- und Riesenbaude hat der Alte mit seiner Harfe oft Gastrollen gegeben.

Noch manche merkwürdige Riesengebirgsgestalt die längst der grüne Rasen deckt, wäre erwähnenswert, hier nur diese kleine Auslese.


Entnommen aus „Schles.Bergwacht“ 1955