Aus Schreiberhaus Vergangenheit

( 1957, Verfasser unbekannt)



Uraltes, Urgermanisches Land ist das Riesengebirge. An seinem Nordfuß siedelten bis zum Beginn der Völkerwanderung die Wandalen, auf der Südseite die Markomannen. Die von Nordosten seit dem 6. Jahrhundert hereinbrechende Slavenflut staute sich bereits im Bobertal oder an den südlichen Vorbergen. Nicht ein einziger Schreiberhauer Flurname ist slavischen Ursprungs!

Schon in der frühesten Zeit der Wiederbesiedlung Schlesiens mit Deutschstämmigen saßen sächsische, fränkische und vielleicht auch bajuwarische Bergleute zwischen Riesen- und Isergebirge, in den heutigen Schreiberhauer Tälern. Nur die große Zahl bergmännischer Flurnamen erinnert an diese Siedler. Als den Johannitern 1281 die warmen Quellen im Zackentale (heute Bad Warmbrunn) überlassen wurden, da wurde dieser neuen Siedlung ein Stück von einhundert Hufen Land zugeschlagen, das vermutlich den größten Teil des heutigen Schreiberhau mit umfaßte. Mit oder nach den Bergleuten rückten die Glasmacher ein; die erste urkundliche Erwähnung (1366) bezieht sich auf einen Kauf der Glashütte in dem Schreiberhau, wie sie „von Alters her gelegen ist“.

Diese Glashütte, von der aus dann im Laufe der Jahrhunderte Schreiberhau seine Entwicklung nahm, war wie die Hütten zu jener Zeit nichts anderes als überdeckte Glasöfen, die man stehen und verfallen ließ, wenn der Wald in der unmittelbaren Nähe der Hütte abgeschlagen war. Denn die Hütte „fraß“ den Wald; nicht nur zum Schmelzen des Quarzes, den man von der“weißen Steinbrücke“am Iserkamm holte, sondern auch zur Herstellung der nicht minder wichtigen Pottasche brauchte man Holz. War ein freies Feld in den Wald geschlagen und das Heranschaffen des Holzes zu unbequem, dann zogen die Glasmacher weiter in den Wald hinein, weiter der Abbaustelle des Quarzes entgegen. Auf die freigewordenen freien Flächen setzten die Grundherren neue Siedler aus dem Westen an: der Bauer zog ein. So war die Begünstigung der Glasmacher durch die Grundherren für diese ein gutes Geschäft. Aus Urwald rodete der Glasmacher ihnen Kulturland.

Viele Male hat so die Hütte ihren Platz gewechselt und große grüne Inseln in den unermeßlichen Wäldern geschaffen; vom untersten Niederschreiberhau bis in den südlichsten Zipfel an der Iser und von dort schließlich, im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung wieder zurück, dorthin, wo heute die Josephinenhütte sich erhebt. So muß man sich den merkwürdigen Abbau des Dorfes Schreiberhau mit seinen vielen Ortsteilen erklären. -

Schreiberhaus Geschichte ist deshalb ein Stück Wirtschaftsgeschichte; zwar haben sich die Wirren der Kriege, die Schlesien nur selten zur Ruhe kommen ließ, auch in der Schreiberhauer Wirtschaft hin und wieder ausgewirkt, zwar sind in fast allen Kriegen, die Schlesien heimsuchten, auch Versprengte bis in das obere Zackental gekommen. Aber von Verwüstungen durch eine wilde Soldateska, von Brandschatzungen nennenswerter Art berichtet die Schreiberhauer Chronik nichts.

Nur ein einziges Mal spielte Schreiberhau in der Kriegsgeschichte eine kleine Rolle. Das war nach der traurigen Niederlage Preußens im Jahre 1806. Alle schlesischen Festungen bis auf Cosel, Glatz und Silberberg hatten sich dem Feind ergeben. Da sammelten sich begeisterte Soldaten in einem nur schwach befestigten Lager zwischen dem Steilrand des Zackentales und dem Marienkirchlein in Niederschreiberhau. In den letzten Maitagen des Jahres 1807 waren viele hundert kampferprobte und kampffreudige Menschen in diesem Lager zusammen. Ein verwegener Streifzug des Schreiberhauer Freikorps unter der Führung des Rittmeisters von Hirschfeld hat den Namen der „schwarzen Festung Schreiberhau“ für alle Zeiten erhalten. Schreiberhau war der am weitesten nach Westen vorgeschobene Punkt, auf dem 1807 „die preußische Fahne auch nach dem Friedensschluß noch geweht hat, ohne in Kriegszeiten vom Feinde niedergeholt worden zu sein“.

Auch die Kirchenwirren gingen an Schreiberhau nicht nicht spurlos vorüber. In den Jahren 1520 bis 1530 war fast die ganze Gemeinde zu der neuen Lehre übergetreten. Die Arbeit der „Remotionskommission“, die Katholisierung der kleinen Kapelle im Niederdorf, die unter militärischer Bedeckung am 22.Februar 1654 erfolgte, machte der Glaubensfreiheit zwar ein Ende. Aber bei der Großzügigkeit der Grundherren, der Schaffgotsch, blieben die Bewohner meist dem alten Glauben treu. Nur ihre kirchliche Betreuung war unbequem geworden. Die Schreiberhauer zogen zu Taufen und zu Hochzeiten über den Hohen Iserkamm und über Flinsberg nach Meffersdorf und anderen, damals zu Sachsen gehörenden Orten. Der Weg, der jenseits des Hochsteins von der Alten Zollstraße über den Iserkamm ins Queistal führt, heißt auch heut noch „der Kirchweg“. Hin und wieder kamen auch sächsische Geistliche heimlich in die Schreiberhauer Täler. Das war die Zeit der „Puschprediger“, die sich in vielen Sagen und Märchen erhalten hat. Die alten Schreiberhauer Gemeindebücher berichten oft von Strafandrohungen gegen die Aufnahme dieser Prediger, aber diese Drohungen standen mehr auf dem Papier. Wie tolerant man damals in kirchlichen Dingen war, dafür ist Schreiberhau bis in die jüngste Zeit bekannt gewesen – das erweist sich aus der Aufnahme der böhmischen Flüchtlinge, die gerade in den Jahren der Schreiberhauer Rekatholisierung in großen Scharen über die Berge kamen und hier eine neue Heimat fanden. Erst nach dem Bau der Gnadenkirche in Hirschberg (1709) kamen für die evangelischen Schreiberhauer bessere Zeiten.

Das Jahr 1616 ist ein Markstein in der Schreiberhauer Geschichte. In diesem Jahre berief der Grundherr Hans Ullrich Schaffgotsch, derselbe, der als Parteigänger Wallensteins in Regensburg den Tod unter dem Richtschwert fand, ein Mitglied der berühmten Glasmacherfamilie Preusler nach Schreiberhau. Er stattete diesen Preusler mit großen Freiheiten aus, so daß die neue Hütte an der Weißbach bald ein Ort im Orte wurde. Die Preusler, namentlich der Sohn des Gründers, Hans Preusler (1620 – 1668), waren nicht nur tüchtige Meister in ihrem Fache, sondern auch kluge und weitausschauende Geschäftsleute. Selbst die Wirren des Dreißigjährigen Krieges konnten dem aufstrebenden Hüttenbetrieb nichts anhaben. Die von den Schaffgotsch verbrieften Rechte wurden 1644 vom Kaiser (der Schaffgotsche Besitz war nach dem Tode Hans Ullrich Schaffgotsch kaiserlicher Besitz) nicht nur bestätigt, sondern vermehrt, so daß fast ein Jahrhundert lang der Betrieb an der Weißbach und mit ihm der ganze Ort wuchs und blühte. Diese Blütezeit fand erst ihr vorläufiges Ende um die Zeit der Übernahme Schlesiens durch Preußen. Die neue Grenze, die Schreiberhau abschloß von einem Gebiet, mit dem es in engsten wirtschaftlichen Beziehungen gestanden hatte, die Maßnahmen des Königs zur Pflege seiner neuen Glashütten in der Mark, der Verlust des besten Absatzgebietes durch Ausfuhrverbote und nicht zuletzt die Verlegung der Schreiberhauer Hütte in ein weitabgelegenes Gebiet an der Iser (Karlstal) führten zu einer Wirtschaftskatastrophe im Schreiberhauer Leben, die fast zu einem Ende der traditionsreichen Schreiberhauer Glasmacherkunst wurde. Aber im letzten Augenblick, dank weitreichender Regierungsmaßnahmen konnte der Fall aufgehalten werden. Langsam entwickelte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts das Schreiberhauer Wirtschaftsleben wieder aufwärts und mit dem Bau der Josephinenhütte begann ein neuer Aufschwung, der den alten Ruf Schreiberhaus wieder zu neuem Glanz brachte.

Freilich wirkte sich die Umwandlung des Wirtschaftslebens und die Verschiebung der Absatzgebiete nach der Kontinentalsperre, die Verdrängung der Menschen durch die neuen Spinn- und Webmaschinen und die dadurch entstandene allgemeine Notlage Schlesiens auch in Schreiberhau aus; die Gründung der Josephinenhütte war eine der Maßnahmen einer weitsichtigen Regierung gegen die allgemeine Not in Schlesien. An diese Notzeit erinnert auch die wunderschöne Zackenstraße von Petersdorf über Schreiberhau nach Jakobstal. Arbeitslose Weber und Spinner aus Schlesiens Hungergebieten bauten diese und viele andere Straßen.

Nachdem auch der Bergbau im Niederdorf, der nie eine sehr starke Bedeutung für das Schreiberhauer Wirtschaftsleben hatte, und die Verhüttung der hier und anderswo gewonnenen Erze im Vitriolwerk im Zackental zum erliegen gekommen waren, führte Schreiberhau um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein beschauliches Dasein als Glasmach-, Kleinbauern- und Walddorf. Erst der in den sechziger Jahren langsam einsetzende Fremdenverkehr brachte neues Licht und neues Leben in die Schreiberhauer Täler. Die Betreuung der Hunderttausende, die jährlich nach Schreiberhau kamen und seine Berge und Wälder durchstreiften, um sich neue Lebensfreude und neue Lebenskraft zu holen, hatte eine neue Arbeitsquelle für Schreiberhau erschlossen. Die Bedeutung des Fremdenverkehrs hat in Schreiberhau alle anderen Wirtschaftszweige bei weitem übertroffen.



Abschrift aus „Schles.Bergwacht“ 1957, SB57/N27/S474