Von der Köhlersiedlung zum Luftkurort

Ein Gang durch die Geschichte Hain`s

von R.Z.


Das steht fest, daß der beliebte Höhenluftkurort und Wintersportplatz Hain in der Riesengebirgs- mitte verhältnismäßig spät entstanden ist. Fehlte es hier doch an Erzvorkommen und an jeder Möglichkeit, irgendwelche Industrie zu betreiben, was manchem Ort in der Heimat zur früheren Entstehung und und schnelleren Entwicklung verhalf, wie etwa Schmiedeberg oder Kupferberg. Wo fand sich in diesem unwegsamen Waldgebiet urbares Ackerland, das Siedlungswillige anzog?

Wer hier siedeln wollte, mußte Unternehmergeist mitbringen, anspruchslos sein, Entbehrungen auf sich zu nehmen bereit sein; denn harte Arbeit wartete auf ihn. Zäh waren die Hainer und ihre Nachbarn zur Linken und Rechten ja von jeher wie das Knieholz im Hochgebirge, wie die „Rauzen“ ihrer Bergwälder. Schweigsam verrichteten sie ihre mühevolle Arbeit und rangen mit Schweiß und Schwielen dem steinigen Boden karge Ernten ab. Nicht unterzukriegen, auch nach schwersten Schicksalsschlägen immer wieder auf die Beine kommend, wie ein „Stiehaufmandl“. „Setz einen deutschen auf einen Stein und er wird ein Paradies daraus machen!“ Dieses Wort eines Politikers aus Deutschlands glänzendster Kolonialzeit trifft auch auf die Pioniere der Heimatbesiedlung zu, die vor Jahrhunderten zuerst in das Waldgebiet des Riesengebirges vorstießen.

Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges standen dort, wo heute der Ort beginnt, nur sechs Häuser: Drei von ihnen lagen geschlossen zwischen Hainbach und Bächelwasser, weshalb man diesen Ortsteil auch heute noch „Großhain“ nennt. Von den übrigen drei „Stellen“ stand eine dort, wo heute Oblassers Hotel steht, die zweite um das Landhaus „Zum goldenen Frieden“ und die dritte auf der Höhe bei Saalberg und wurde erst am Beginn dieses Jahrhunderts gegen das Haus „Wasserliebig“ an Saalberg ausgetauscht. So eine „Stelle“ bestand aus einem Häuschen mit etwas Landwirtschaft und wurde als „Hain“ oder „Garten“, der Besitzer als „Gärtner“ bezeichnet, wonach man sehr treffend den ganzen Ort benannt hat. Die Schreibweise des Namens ist im Laufe der Zeit manchmal geändert worden, selbst auf nicht zu alten Karten liest man noch „Hayn“. Der Volksmund braucht ihn gerne mit einer Präposition und wohnt „Im Haine“ oder geht „nach dem Haine“ oder kommt noch „vum Hoane“. Um Verwechslungen mit vielen anderen Orten gleichen Namens im weiten Vaterlande zu vermeiden, hat dann die Post die Bezeichnung Hain (Riesengeb.) geschaffen.

Den höher gelegenen Teil der heutigen Ortsflur bedeckten um die Zeit noch dichte Wälder, und der Wald ist ja von jeher die Erwerbsquelle der Riesengebirgler gewesen. Schon vor dem „Großen Kriege“ hatten sich einsame Köhlerhütten besonders an den Flußläufen hinaufgeschoben, deren vier das Hainer Waldrevier durchrauschten. Da es an Holzabfuhrwegen noch fehlte, wurden die Stämme die Bäche hinabgeflößt, und an ihnen hat sich zuerst das dunkel der Wälder gelichtet. Die Entwaldung und Besiedlung des ganzen Gebietes machte aber nur langsame Fortschritte und wurde erst beschleunigt, durch den eigentlichen Begründer von Hain, Georg Andreas von Schwinghammer , der als junger Köhlerssohn in das kaiserliche Heer eintrat, sich im Dreißigjährigen Kriege durch große Tapferkeit auszeichnete, deshalb vom Kaiser geadelt und zum „Capitain-Lieutnampt“ befördert wurde. In der Schlacht bei Lützen erhielt er eine schwere Verwundung, die ihn wahrscheinlich dienstunfähig machte. Vielleicht auch verließ er den kaiserlichen Dienst, nachdem sein treuer Freund und Gönner Wallenstein 1634 des Generalstabs entsetzt worden war. In den Fall Wallensteins war auch Graf Hans Ullrich von Schaffgotsch verwickelt. Er war am 28. 08. 1595 auf der Burg Greiffenstein im Isergebirge, der Stammburg des alten Grafengeschlechts, geboren worden, zählte zu den reichsten Grundherren Schlesiens und war Besitzer der ausgedehnten Waldungen des Iser- und Riesengebirges auf schlesischer Seite, großer Ländereien im Hirschberger Tal und der ältesten Heilbäder Warmbrunn und Flinsberg. Als Heerführer im Dreißigjährigen Krieg wurde er mit Wallenstein gestürzt und am 23. 07. 1635 zu Regensburg enthauptet. Ein Teil seiner Besitzungen wurde vom Kaiser eingezogen. Darunter befand sich auch das ganze Waldgebiet von Hain, mit dem von Schwinghammer für seine dem Kaiser geleisteten Kriegsdienste belehnt wurde. Seinen Herrensitz baute er sich an der Stelle, wo heute noch das Haus „Schwinghammerhof“ gegenüber von Hotel Fischer an ihn erinnert. Der „herrschaftliche Keller“ ist jetzt noch vorhanden, und das neue evangelische Schulgrundstück war der „Lustgarten“ des Hofbesitzers. An der Stelle des Hotels Fischer befand sich noch vor der Jahrhundertwende eine Sägenschmiede, die „Leglerschmiede“, die, den Bedürfnissen des Ortes entsprechend, von Schwinghammer angelegt worden war. Auch den Bau der ersten Mühle des Ortes hat er veranlaßt. Dieser verdiente Kriegsmann verkaufte oder verschenkte ein Stück rauhem Bodens nach dem anderen an Ansiedler, die mit großem Eifer an die Entwaldung des Bodens gingen, aus dem gewonnenen Holz ihre Hütten bauten und nun bestrebt waren, möglichst urbaren Boden zu schaffen, wobei sie aber ständig auf natürliche Schwierigkeiten stießen. An lohnenden Ackerbau war anfänglich deshalb nur wenig zu denken. Einige vortreffliche Waldwiesen mit saftigen Gräsern und würzigen Kräutern aber boten schon Gelegenheit zur Viehzucht, weshalb man besonders Ziegen in Menge als Haustiere hielt. Die nötigen Feldfrüchte bauten die Ansiedler auf Beeten neben ihren Häusern, welche Anbauweise sich noch bis auf den heutigen Tag im Kartoffelbau erhalten hat. Neben Roggen wurde hauptsächlich Flachs angebaut; denn alt und jung drehte noch bis tief ins vorige Jahrhundert hinein Spindel und Spinnrad. Für den Obstbau hat sich Hain von jeher geeignet, und in ältester Zeit schon baute man eine noch heute als „Mischentzer“ bezeichnete Apfelsorte an.

Leider ist nichts mehr als der Name des Hauses „Schwinghammerhof“ vorhanden, was uns an den verdienstvollen Gründer Hains erinnert. Sein Ehrendegen ist erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von einem Trödler aufgekauft worden und trotz eifrigen Nachforschens nicht mehr aufzufinden gewesen. Kein Kirchenbuch oder Grabstein kündet uns seinen Namen. Erich Fuchs, der Riesengebirgsmaler in Hain, hat dem ehemaligen Grundherrn ein Denkmal gesetzt, indem er in das von ihm geschaffene Gemeindewappen, das vom heraldischen Amt, Berlin, anstandslos genehmigt wurde, das redende Wappen des abgestorbenenAdels derer von Schwinghammer einbaute. Das in Schildform gehaltene Ortswappen zeigt in Silber einen grünen Dreiberg mit zwei gewachsenen Fichten, die das Wappen des Geschlechts flankieren, einen angewinkelten Unterarm mit schwingendem Hammer, naturfarben gehalten.

Am Rotwasser entlang förderte die Herrschaft Kynast eine Besiedlung, die das damalige Hain in einem Bogen oberhalb umschloß und von der heutigen „Waldmühle“ bis zur Mummelgrube, den drei letzten Häusern von Hain über dem Hainfall gelegen, sich hinzog. Dieser Ortsteil, das ehemalige „Hintersaalberg“, seiner ganzen geographischen Lage nach und seit etwa zweihundert Jahren durch eine gemeinsame Schule mit Hain verbunden, von Saalberg durch den Göllner getrennt, ist am 1. April 1902 mit Hain vereinigt worden.

Schließlich ist es noch interessant und lohnend, dem Wechsel in der Beschäftigung der Ortsbewohner nachzugehen. Wie gegenwärtig, hat auch schon vor Jahrhunderten der Wald einem großen Teil der Bevölkerung Arbeitsmöglichkeiten gegeben. Als noch schlechte Wege die Holzabfuhr erschwerten oder gar unmöglich machten, wurde viel Holz in Meilern verkohlt und auf diese Weise für den Transport erleichtert. In diesem Zustand gelangte es dann in die Orte, die damals schon Eisenindustrie trieben, z.B. Schmiedeberg. Als dann der schlesische Leinwandhandel in hoher Blüte stand, fand sich lohnende Beschäftignung in der in Giersdorf im großen Umfange betriebenen Bleicherei und Walkerei. Leider wurde aber in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts Handspinnerei und Bleicherei durch die großen maschinellen Betriebe verdrängt, und die Bevölkerung war nun mehr noch auf Ackerbau, Viehzucht und Waldarbeit angewiesen. In dieser Zeit begann eine andere Quelle künftigen Wohlstandes reichlich zu fließen. Durch Adolf Dreßler, den „Maler des Riesengebirges“ auf die Schönheiten des Ortes aufmerksam gemacht, kam alljährlich ein Strom von Fremden nach Hain. Eine rege Bautätigkeit setzte ein, Landhäuser wurden für die Aufnahme von Gästen erweitert und ausgestattet. Villen entstanden, Gaststätten und Geschäfte wurden gegründet. Von Jahr zu Jahr nahm der Fremdenverkehr zu und entwickelte sich nunmehr zur wichtigsten Erwerbsquelle für die Bewohner unseres Gebirgsdörfchens. Riesengebirgsverein und Gemeindeverwaltung sind unaufhörlich um die Hebung des Ortes bemüht. Ganz besonders liegt ihnen der Ausbau und die Pflege der reizvollen Wege am Herzen. Im Jahre 1908 wird die Kunststraße fertig, die in Serpentinen bis zur Höhe von 600 m hinaufführt. Schon im folgenden Jahr bekommt Hain die Hochquellwasserleitung, die ein in jeder Beziehung einwandfreies Wasser liefert. Seit 1911 schon erstrahlen Häuser und Straßen im Glanze elektrischen Lichtes, und der Schienenweg der elektrischen Talbahn erreicht das benachbarte Giersdorf, von wo aus er 1913 bis Ober-Giersdorf (Himmelreich) erweitert wird. Autobusse der Hirschberger Talbahn befördern schon lange vor dem zweiten Weltkrieg die Kurgäste und Touristen bis hinauf über die Lindenschänke, von wo aus sie bequem ihre gastlichen Quartiere erreichen oder in kurzer Zeit zum Spindlerpaß aufsteigen können. So sind die Bestrebungen zur Hebung des Ortes nicht ohne Erfolg geblieben; Hain ist das geworden, wozu es von Natur aus bestimmt ist: ein beliebter Erholungsort ersten Ranges mitten im deutschen Riesengebirge.



Entnommen aus „Schles.Bergwacht“, SB58/N17/S267