Gemeinde Seidorf im Riesengebirge

von Matzke



Breits 1305 wird Seidorf in einer alten Urkunde erwähnt. So zeitig also sind deutsche Kolonisten rodend den Hang des Riesengebirges angestiegen.

1318 schon besitzt die Gemeinde eine eigene Kirche, die Annakapelle, die 1366 von Herzog Bolko I. gegen einen Jahreszins dem Pfarrer von Kauffung verschrieben wird. Von Kauffung aus geschieht also die frühe geistliche Versorgung des Ortes. Als 1524 schließlich die Reformation eingeführt wird, ist Seidorf wohl schon längere Zeit selbstständiges Kirchspiel. Ueber 100 Jahre konnte das Evangelium ungestört verkündet werden, bis am 20.Febr. 1654 in der Gegenreformation Kirche, Pfarrhaus und Widmut weggenommen wurden. Die Patronatsfamilie von Schaffgotsch war nach der Hinrichtung des Wallensteinischen Generals von Schaffgotsch zwangsweise katholisiert worden, so daß auch dieser Rückhalt entfiel. Die evangelische Gemeinde zog sich zunächst nach Probsthain und dann nach Errichtung der Gnadenkirche in Hirschberg ab 1709 nach dort.

Mit der Besitzergreifung Schlesiens durch Friedrich d. Großen und der Freigabe evangelischer Verkündigung erhielt die Gemeinde am 13.April 1745 die königliche Genehmigung zur Errichtung eines Bethauses. Am 19.September des gleichen Jahres schon wurde es eingeweiht, Unseren Vorfahren war die Verkündigung des Evangeliums große Opfer wert. Der erste Pastor der erneuerten Gemeinde hieß Zöllner. Das rasch erbaute Fachwerkhaus der ersten Kirche wurde durch eine massive Kirche ersetzt, die am 26.09.1820 eingeweiht wurde. Die Gemeinde umfaßte damals die Ortsgemeinden Seidorf mit Vorwerken, Glausnitz und die Kolonien Baberhäuser, ein vielen Schlesiern unvergeßlicher Begriff angenehmer und lieblicher Ferienerinnerungen (die Baberhäuser waren 1654 entstanden, als Emigranten aus Böhmen, dort noch mehr bedrückt, auf der schlesischen Seite des Gebirges Zuflucht suchten), und Bronsdorf . Die Seidorfer Vorwerke waren 1838 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. für die Ansiedlung von 10 Familien Tiroler Auswanderer, die aus dem Zillertal um ihres Glaubens willen 1837 ausgewandert waren, erworben worden. So entstand dann aus dieser Siedlung und anderen das Dorf Hohenzillerthal, das mit Erdmannsdorf zu einer eigenen Kirchgemeinde erhoben wurde. 1895 wurde der Kirchturm mit Kupfer eingedeckt und das Innere der Kirche durch Malermstr. Heppner/Arnsdorf völlig erneuert. Es war das Jahr des 150. Kirchweihfestes.

Der um die Jahrhundertwende amtierende Pastor Demnitz sorgte sich auch sehr um die sozialen Nöte der Gemeinde. So kaufte er mit Hilfe der Breslauer Kirchenleitung etwa 20 Morgen Land an und verpachtete diese in Parzellen an kleinere Landwirte. 1914 stiftete Generaldirektor R. Prause die große vierte Glocke, die 16 Zentner wog. Prause, der Sohn einer armen Tischlerfamilie, stammte aus dem Hause Nr. 152. Im ersten Weltkrieg mußten 1918 die drei kleineren Glocken und die Orgelpfeifen abgeliefert werden. 1924 wurden zwei von ihnen aber als Stahlglocken, in Apolda gegossen, wieder ersetzt. In dieser Zeit wurde auch in der Kirche das elektrische Licht gelegt. 1935 wurde sogar eine Turmuhr mit elektrischem Aufzug und elektrisches Gebläse für die Orgel angeschafft. Auch die Zink-Orgelpfeifen wurden ersetzt.

Das 200-jährige Kirchweihfest sah im September 1945 eine verängstigte Gemeinde unter der Kanzel. Wieder einmal war große Not über die Gemeinde gekommen. Vertreibung und Kirchenwegnahme standen bevor. Doch konnte der Hauptgottesdienst am Vormittag in Ruhe gefeiert werden. Der Nachmittagsgottesdienst allerdings wurde durch Polen erheblich gestört und mußte abgekürzt werden. 1947, wie fast 300 Jahre zuvor, wurde die Kirche weggenommen und polnisch-katholisch gemacht, da angeblich die katholische Kirche in Seidorf zu klein für die katholische Gemeinde geworden war.



Entnommen aus „Schlesische Bergwacht“, SB59/N13/S222