Die Porzellanfabrik Gebrüder Pohl, - später Paul Rauschert A.G.
Von W. Schm. (1959)
Wer von den alten Schmiedebergern kennt nicht die großen Werkgebäude mit den hohen Schornsteinen der Porsellanfabrik der Gebrüder Pohl in der Liebauer Straße. Man sagt nicht zu viel, wenn man von ihr als dem ältesten und größten Industrieunternehmen unserer Heimatstadt spricht.
Anfang der 1880er Jahre gründeten die aus Tellnitz in Böhmen stammenden Brüder Heinrich und Leonhard Pohl dieses Unternehmen aus bescheidenen Anfängen heraus in einem kleinen Hausgrundstück Liebauer Straße Nr. 3. Man fabrizierte zunächst mit primitiven Handpressen und mit wenigen Arbeitern, die zu damaliger Zeit als zweckmäßig erscheinenden kleinen Porzellan- Knöpfchen, die zur Befestigung und Umrandung der Bezüge an Sofas und Polsterstühlen verwendet wurden. Den Betrieb nannte man viele Jahre hindurch, auch noch als die Fertigung auf andere Erzeugnisse sich erweitert hatte, im heimischen Volksmunde immer die „Knöppl-Fabrik“ oder die „Porzelline“. Ich sagte schon, der Betrieb erweiterte sich zusehends, und man mußte darangehen, ausreichende Betriebsgebäude zu errichten, um den Bedarf an Erzeugnissen decken zu können. War es am Anfang nur ein Handbetrieb, so wurde dieser dann mit Dampfmaschinen und später mit modernen elektrischen Maschinen ausgestattet und erweitert. Man fertigte im Zeichen der zunehmenden Elektrifizierung der Industrie und Wirtschaft fast alle hierfür erforderlichen Spezial- Artikel für die Elektro-Industrie aus Porzellan und Steingut, insbesondere Schalter für die großen überall entstehenden Überlandzentralen und -Masten. Der Absatz dieser Artikel ging in alle Welt und das Unternehemen der Gebrüder Pohl war führend in der Herstellung der so sehr begehrten Artikel.
Die Firma Pohl gab Hunderten von Familien Brot und Lohn am Arbeitsplatz in der Fabrik und durch Heimarbeit und die einheimischen Arbeitskräfte reichten bald nicht mehr aus, um dem Bedarf an der Fertigung zu entsprechen. Zwei ebenbürtige Filialunternehmen der Firma Gebrüder Pohl in Haselbach und Erdmannsdorf entstanden und brachten das Unternehmen zu hoher Blüte, das weit über die Grenzen Europas hinaus zu Ruf und Ansehen gekommen war.
Der Eigentümer der Werke war Heinrich Pohl. Er war ein überaus bescheidener und einfacher Mann, der in den Anfängen selbst mit gearbeitet hat und das Unternehmen zu seiner großen Bedeutung emporführte. Bezeichnend für seine einfache Lebensart darf die Tatsache gelten, daß Heinrich Pohl stets mit seinem ortsbekannten Apfelschimmel-Gespann ausfuhr und niemals das schon damals als bequem und modern bekannte Auto benutzte. Er blieb in jeder Beziehung der alte bescheidene Mann, den seine Arbeiter hoch schätzten. In Anbetracht und Würdigung seiner großen Verdienste um die Industrialisierung des Kreises Hirschberg wurde ihm im Jahre 1910 vom damaligen Kaiser Wilhelm II. der Titel eines „Geheimen Kommerzienrates“ verliehen.
Wie auch anderswo, so erlebte dieses Unternehmen in den Jahren nach dem 1.Weltkrieg seinen Niedergang. Dem Wettstreit mit dem Fortschritt auf dem Wege der modernen Technik und Automatisierung konnte das Werk vielleicht nicht standhalten. Es entstanden finanzielle und Absatz -Schwierigkeiten, bedingt durch Konkurrenzen, die nicht mehr aufzuhalten waren. Der Betrieb wurde von dem Rauschert-Konzern aus Thüringen aufgekauft, modernisiert und weitergeführt. Unter der polnischen Verwaltung soll die Porzellanfabrik in vollem Gange sein.
Zum Werk gehörte die allen Schmiedebergern bekannte „Pohl´sche Schweiz“, ein Wald, der sich an das Besitztum der Gebrüder Pohl anschloß und als romantisch galt, weil in ihr wunderbare Spaziergänge, begleitet von dem munteren Wasser des „Hellebaches“, möglich waren. In diesem schönen Wäldchen befinden sich auch die Ruhestätten des Herrn Kommerzienrats Pohl und seiner Gattin.
Entnommen aus „Schles.Bergwacht“, SB1960/N01/S08