Birkigt – Wo einst der Eisenhammer dröhnte . . .

von Robert Porrmann (1954)



Zwischen Arnsdorf und Krummhübel lag die Kolonie Birkigt, fast ein kleines Dorf für sich. Aller Verkehr nach den oberen Gebirgsgemeinden Krummhübel und Brückenberg flutete durch diese Ortschaft hindurch, sei es auf der Kreis-Chaussee, die mitten durch den Ort führte, sei es auf der Riesengebirgsbahn, die drüben über der Lomnitz eine besondere Haltestelle eingerichtet hatte. Keiner der vielen Fremden, die den Ort durchfuhren, wußten aber, daß mitten durch diesen Ort die Gemarkungsgrenze zwischen Krummhübel und Arnsdorf führte, so daß z.B. die Papierfabrik von Franke noch zu Arnsdorf, das gegenüber liegende Baugeschäft von Latzke schon zu Krummhübel gehörte. Zu Arnsdorf gehörten ferner noch das ehemalige Hotel „zum Eisenhammer“ mit der hart an der Grenze liegenden Kutscherstube, das alte Beiwerk der Arnsdorfer Papierfabrik, die uralte kleine Schankwirtschaft von Heinrich Stumpe, die alte Aust-Schmiede an der Kleinen Lomnitz, der Kaufladen von Krause und das Fuhrgeschäft von Ulbrich, sowie auch das Haus von Sattlermeister Schieder. Alles andere gehörte zu Krummhübel. Die Kinder aus dem unteren Ortsteil gingen nach Arnsdorf in die Schule, die aus dem Oberen nach Krummhübel. Beide hatten gleichweit zu laufen, eine gute halbe Stunde.

Der Name „Birkigt“ kam von einem Birkenwäldchen her, neben dem einst die ersten Häuser gebaut worden sind. Hart unterhalb des ehemaligen Hotels „zum Eisenhammer“ hatte bis 1844 der alte Eisenhammer bestanden, zwischen Hotel und dem Brückensteg über die Lomnitz. Im Jahr 1636 ist er das erste Mal urkundlich erwähnt worden. Noch im Jahre 1844 lieferte er 2650 Zentner Stab- und Roheisen. Das Rohmaterial lieferte die Bergfreiheit-Grube in Schmiedeberg, während in Steinseiffen die verarbeitenden Schmieden lagen. Auch die Aust-Schmiede verdankt ihre Entstehung der Existenz des alten Hammerwerkes. Den Hammer betrieb ein gewaltiges Mühlrad, welches das Lomnitzwasser drehte. „Wenn eim Birkigte der Hommer ging, zitterta eim Durfe hinne die Fansterscheiba“ pflegte mein Großvater zu sagen, der es noch selbst gehört hatte.

Als dieses uralte Industriewerk abgebrannt war, wurde es nicht wieder aufgebaut, da es sich in der Zeit der Hochöfen und Walzwerke ohnedies überlebt hatte. Sogar seine Grundmauern wurden weggerissen. Nur der Name des daneben liegenden Hotels erinnerte bis in die letzte Zeit an das Werk. Das Hotel war früher ein beliebtes Ausflugslokal gewesen, in welchem Sonntag für Sonntag Tanzmusik war. Gar viele der alten Arnsdorfer werden sich noch heute erinnern, hier das Tanzbein geschwungen zu haben. Zuletzt aber diente es seinem ursprünglichen Zwecke nicht mehr. Die Papierfabrik von Franke hatte es erworben und hier Lager- und Wohnräume eingerichtet.

Dagegen war der Gastbetrieb in der Stumpe´schen Wirtschaft bis zum bitteren Ende 1946 fortgeführt worden. Dieses kleine Kretscham-Haus war eines der ältesten Gasthäuser des Riesengebirges, noch fast ganz aus Holz gebaut. Heinrich Stumpe, der letzte Besitzer, hatte es 1920 von seinem Vater, der ebenfalls Heinrich hieß, übernommen, dieser wieder von seinen Pflegeeltern Beck. Namen früherer Besitzer waren Exner und Brückner. Der letzte Besitzer hatte die gemütliche Gaststube im Stil einer Riesengebirgsbauernstube hergerichtet. Weit und breit war sie bekannt. Auch ich bin immer wieder einmal in den Ferien dort eingekehrt und habe in der alten Gaststube an einem der wuchtigen Holztische oder auf dem Sofa neben dem alten Kachelofen unter dem tickenden „Seeger“ und unter der niedrigen Balkendecke heimatliches Leben still beobachtet.

Hier hatten wohl schon die ehemaligen Eisenhammerschmiede zu einem Trunk Platz genommen, später die Arbeiter von Franke, Fuhrleute und Straßenarbeiter. Über der Haustür war früher ein originelles Schild angebracht gewesen. Es zeigte ein buntes Bild eines überschäumenden Glases Bier, daneben eine der alten schlesischen Kornflaschen und die Gläschen dazu. Die Inschrift lautete kurz: „Bier-und Branntweinschank, Heinrich Stumpe“. Leider ist dieses Schild später verschwunden. Es wäre wert gewesen, in ein Museum aufgenommen zu werden, da es anscheinend die Arbeit eines einfachen Bauernmalers gewesen ist.

In der Polenzeit soll der Birkigter Kretscham abgebrannt sein. Drüben an der Kleinen Lomnitz hörte man Meister Aust aufs Eisen schlagen, und der kleine Kaufladen von Krause versorgte die Birkigter mit den nötigen Waren. Hinter diesem Hause führte ein Fußweg zum Charlottenheim hinauf, da die Chaussee einen großen Bogen ausführte. An der Hinterpforte zum Gärtchen des Kaufladens stand recht launig geschrieben: „Mach ock`s Terla zu!“ Die große Papierfabrik von Franke hatte den höchsten Fabrikschornstein des Hirschberger Tales mit etlichen 90 m.

Zur Seite rauschte die Lomnitz und von droben grüßte die Koppe herunter.

Das war unser Birkigt.



Entnommen aus „Schles. Bergwacht“, SB1954/N18/S12


Erstellt: W.Schön, Mail: genealogie@wimawabu.de, 03.07.07