Die Mutter Hampeln

von Hermann George



Wer sich noch zurückversetzen kann in die ruhige, gute alte Zeit, in die Jahre um 1890 herum, und wer in einem ruhigen Dorf am Fuße unseres lieben Riesengebirges gewohnt hat, wird heute verstehen, wie einst die Mutter Hampeln in ihrem ruhigen Dasein in eine ihr unverständliche Situation versetzt wurde. Mutter Hampeln, eine herzensgute Frau, hatte eine Tochter und zwei Söhne. Bei ihrem jüngsten Sohne der Junggeselle war und ein schönes Haus sein Eigen nannte, führte sie den Haushalt. Zu dieser Zeit war auch die Hausweberei im vollen Gange, wobei sie als Spulerin nebenbei etwas verdiente. In der Zeit wurde die Sozialdemokratische Partei und die Gewerkschaft ins Leben gerufen. Frau Hampels ältester Sohn war ein tüchtiger Handwerker und wurde s.Zt. In den Vorstand des Bauarbeiterverbandes gewählt. Das wurde nun auch in der Gemeinde der Mutter Hampel bekannt, wo sie von der Obrigkeit dafür gebrandmarkt wurde. Eines Tages, Mutter Hampel saß beim Mittagstisch bei Kartoffeln und Quark, ihr gegenüber saß ihr Enkeljunge mit der Quarkschnitte in der Hand auf dem Kanapee, bekam sie den hohen Besuch des Herrn Pastors. Nun will ich die Worte der Frau Hampel in unsere Mundart setzten.

Der Enkeljunge sieht zum Fenster hinaus und spricht: „Der Herr Paster kimmt zum Gassel rei.“ Großmutter spricht: „Dar kimmt nee zu ins.“ Indes klopft es. „Herrein!“ Der Pastor tritt in die Stube. „Guten Tag Frau Hampel, na, wie geht's Ihnen?“ „Och, lieber Herr Paster, besucha Se mich amol, woas brenga Se merr denn do Schienes?“ Frau Hampel, ich bringe Ihnen eine sehr traurige Nachricht.“ „Nee, woas Se soan, is denn jemand gesturba?“ „Nein, Frau Hampel , aber Sie haben doch einen Sohn in Hirschberg, den Maurer Hampel.“ „Ja, ja, Herr Paster, is denn da Ernst gesturba?“ „Aber nein, Frau Hampel, es ist bald noch schlimmer. Ihr Sohn ist zu den Sozialdemokraten übergelaufen.“

Nee, woas Se soan, - zu a Sozialvokaten sull a gelaufa sein?“ Do is a wull gor nee derheeme.“ „Nein, Frau Hampel, ich muß Ihnen das mal deutlich erklären. Ihr Sohn ist Sozialdemokrat geworden.“ „Herr Paster, doo weeß ich ju goar nischte dervone, do gieht a wull goar nimme uff Orbeet.“ „Frau Hampel, Sie müssen wissen, daß die Sozialdemokratie eine staatsfeindliche Partei ist, die wollen die Gesetze umstoßen, was ihnen in einem Kaiserreich schwere Strafen einbringen kann.“ „Nee, nee, woas Se soan, Herr Paster, mei Suhn hoot doch nie woas gesoat, doaß a woas gegen insa guda Kaiser hätte. A woar doch salber zwee Juhre bei dar Garde ei Berlin.“ „Es tut mir sehr leid, Frau Hampel, daß Sie gerade so einen Sohn haben, der so aus der Reihe tanzt. Passen Sie auf, man kann Ihnen noch Ihre Rente entziehen, Sie können sich dann Ihre Rente bei den Sozialdemokraten abholen.“ „Nee, doas heeßt, ich sull merr meine 12 Mark bei a Sozialdemokraten obhull`n, sein denn doas sune reicha Leute, Herr Paster?“ „Frau Hampel, Sie müssen zu Ihrem Sohn nach Hirschberg gehen und müssen ihm sagen, daß er zurücktritt aus der Partei, schon wegen der Schande, die er Ihnen angetan hat.“ Jo, jo, Herr Paster, ich war neigiehn an warsch`m soan, doaß Se sein bei mir gewast. Oaber, Herr Paster, woas denka Se denn, woas doas für a grober Kall is, wenn da zu Ihnen naus kimmt auf a Händel, do kinn Se sich uf woas gefoßt macha.“ „Na, Frau Hampel, da sagen Sie es lieber nicht, - daß ich bei Ihnen war, und nun leben Sie wohl, Frau Hampel.“ „Lieber Herr Paster, ich dank` ihnen schön und besucha Se mich wieder amol.“

Die Großmutter spricht zu ihrem Enkel: „Woas hotte denn derr Paster für an weißa Fleck am Buckel?“ „Grußmutter, doas woar Quork.“ „Och, ihr Leute, ihr Leute! Junge, lauf ock dam Paster noach an mach da Quork vum Puckel.“ „Nee, nee, Grußmutter, ich gieh nee.“ „Och, Jesses, Jesses nee, woas warn och doo die Leute soan!“



Entnommen aus „Schles.Bergwacht“, SB57/N19/S332