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Auf dieser Seite lesen Sie jeden Monat einen interessanten Artikel aus dem früheren Kreis Hirschberg bzw. aus dem "damaligen" Riesengebirge. 

Bisher sind folgende Artikel erschienen:


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                             Der letzte Schachtelmacher.

                                   Verfasser unbekannt




Wer von den Hartenbergern hat wohl noch eine Spanschachtel, die er gemacht hatte, aus der Heimat mitgebracht? Ich glaube keiner. Viel eher wäre es möglich, daß wir solch ein Andenken an ihn und Hartenberg irgendwo in Dresden, Leipzig, Berlin, Stettin oder auch in Hamburg finden könnten. Denn mancher von den Hartenberger Sommergästen nahm sich eine Spanschachtel aus den Ferien mit oder ließ sie sich nachschicken, bemalte sie in seiner Freizeit mit Habmichlieb, Enzian und Teufelsbart und hob darin seine Photos auf, die er in den frohen Sommertagen aufgenommen hatte, vielleicht auch einen Stein mit Veilchenmoos, den er auf dem Zickzackwege zur Schneekoppe aufgesammelt oder ein Stückchen Basalt aus der kleinen Schneegrube. Das waren Erinnerungen an schöne Sommerwochen in Hartenberg.

Ursprünglich waren die Spanschachteln für diesen Zweck nicht gedacht. Hüte, Mützen und Torten wurden darin aufgehoben. Von meiner Mutter weiß ich noch, daß sie solche große Spanschachtel unten im Kleiderschrank stehen hatte, und darin ihre Hüte aufbewahrte.

Und als ich nach Hartenberg kam, dort auf dem Kirchsteige den Wegewart des Riesengebirgsvereins traf, der die Wege und Stege ausbesserte, hörte ich von ihm, daß er solch ein alter Schachtelmacher war. Daraufhin besuchte ich ihn einmal, und er erzählte mir von dieser seiner Arbeit. Damals schrieb ich mir einiges auf, was ich hier mitteilen möchte.

Es war vor über zwanzig Jahren, im Jahre 1932, an einem Abend im Spätherbst. Auf den Wegen gab es nichts mehr zu tun, auch die Arbeit in der kleinen Landwirtschaft war in der Hauptsache geleistet.

Und da ging der alte Schachtelmacher, er hatte damals wohl gerade seinen 70. Geburtstag gefeiert, wieder an seine Winterbeschäftigung. So hatten es früher in Hartenberg viele Landwirte getan und darin eine willkommene Nebenbeschäftigung gefunden.

Draußen fing es gerade an zu dunkeln, als ich in den Hausflur trat, der mit großen Steinplatten ausgelegt war. Drinnen in der großen Stube brannte schon das Licht. Gleich rechts an der Tür saß der Schachtelmacher auf seiner Arbeitsbank, „Schnitzbank“ wurde sie wohl genannt, wie ein Reiter auf seinem Pferd. Er schnitt gerade mit dem Schnittmesser seine Holzspäne zurecht. Um ihn herum lagen Berge von Abfallspänen, ein Zeichen, daß er schon fleißig gearbeitet hatte. Oben auf einem Wandbrett standen mehrere seiner fertigen Spanschachteln. Bald waren wir im Gespräch, und ich hörte manches aus vergangenen Tagen der Schachtelmacher von Hartenberg, Petersdorf und Kiesewald.

Im Sommer wurde durch die Waldarbeiter das Fichte- und Tannenholz draußen im Walde geschla-gen, in Klötzer von 80 cm Länge zersägt, in Scheite gespalten und zum Trocknen aufgestapelt. Im Winter rückten sie es mit dem Schlitten hinunter an die Bäche, den kleinen und großen Zacken und an die Kochel. Hier wurde es wieder aufgesetzt und blieb bis zur Schneeschmelze im Frühjahr stehen. Es wurde nicht abgefahren wie in den letzten Jahren; denn damals waren die Wege zu schlecht. Wenn dann im Frühjahr, oben auf den Bergen der Schnee schmolz, die Schmelzwasser tosend zu Tale rollten, wurden die Holzscheite in die reißenden Wasser geworfen und bis zum nächsten Rechen geflößt. Dieser lag oberhalb des Vitriolwerkes bei Ober-Petersdorf, dort, wo die Holzstoffabrik von Enge stand. Dieser Holzrechen war quer durch den ganzen Zacken gebaut. Hier wurde das Flößholz aufgefangen. Die Böttcher und Schachtelmacher aus der Umgebung kamen dorthin und fischten sich das geeignete, glatte, astfreie Holz heraus, setzten es auf und kauften es der gräfl. Schaffgotschen Verwaltung ab.

Das übrige Holz wurde weiter geflößt bis nach Warmbrunn zum „Fließplan“, wo ebenfalls ein Rechen eingebaut war. Noch 1932 wurde das dort anliegende Grundstück der „Rechengarten“ genannt.

Die Schachtelmacher spalteten daheim die Scheite in lange, schmale Späne, „Läufte“ genannt. Diese wurden mit dem Schnittmesser zum Gebrauch geschnitten, gebrüht und über der Biegebank gebogen, und, nachdem man Klammern eingeschlagen hatte, hinter den Ofen in die Hölle zum Trocknen gelegt. Später wurden sie mit Heftschienen geheftet. Oben unter der Decke am Holzgestänge zwischen den Deckenbalken baumelten viele solcher gebogener Holzspäne. Wenn der Schachtelmacher eine genügende Anzahl davon fertig hatte, setzte er 3/8-zöllige Böden ein und vernagelte die Schachteln. Nachdem ebenso die Deckel hergestellt waren, hatte man die Spanschachteln fertig zum Verkauf. Diese wurden immer in Sätzen von mehreren Stück zusammengestellt. Zum Mützensatz z.B. gehörten vier runde hohe Schachteln, die ineinandergesetzt wurden, zum Tortensatz fünf oder sechs Stück, rund und flach und zum Zehnersatz zehn ovale von verschiedener Größe.

In Petersdorf, Kiesewald und Hartenberg arbeiteten eine ganze Anzahl Schachtelmacher. In Petersdorf gab es neben kleineren, zwei größere Betriebe, nämlich die von Ehrenfried Liebig und Benjamin Mattern.

In Kiesewald stellte man kleine Spanschachteln für Pfefferminzplätzchen, Salben und Stiefelwichse her, und es wurde darum scherzweise die „k l e i n e Schachtelstadt“ genannt. Hartenberg hieß die „g r o ß e Schachtelstadt“, weil hier die großen Mützen- und Tortenschachteln gemacht wurden. Den größten Betrieb hatte hier Gottfried Menzel auf dem Grundstück der Waldfriedenbaude.

Andere Schachtelmacher waren Wilhelm Liebig auf dem Heidelberg, Wilhelm Nerger, Hermann Prokopp und Gottlieb Fiedler, der Großvater von unserem Hermann Fiedler Nr.66.

Gottlieb Menzel fuhr mit seinen Schachteln auf Frachtwagen zu allen vier Märkten nach Breslau und setzte sie dort ab, während die anderen Schachtelmacher die kleineren Städte wie Liegnitz, Jauer, Goldberg, Schönau, Hirschberg und auch Bad Warmbrunn versorgte.

Bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts warf die Arbeit lohnenden Gewinn ab. Etwa 100 Jahre sind also schon seitdem vergangen. Inzwischen war in der Zeit der Gründerjahre die Holzstoff-fabrikation aufgekommen. In Petersdorf gab es damals acht Holzstoffabriken. Das Holz wurde begehrt und dadurch teuer. Die Fabriken stellten billige Pappschachteln her. Damit konnten die Schachtelmacher nicht konkurrieren. Die Arbeit warf nicht mehr genügend Gewinn ab, und das Gewerbe ging zurück. Anfangs der neunziger Jahre war es sogut wie verschwunden.

Hermann Fiedler war der letzte Schachtelmacher von Hartenberg, Petersdorf und Kiesewald. Bis in den zweiten Weltkrieg hinein durfte er arbeiten und schaffen. Er versorgte die Gegend mit Sieben und Rändern zu Buttersieben. Am liebsten aber waren ihm seine Spanschachteln. Dieser Arbeit blieb er treu bis in die letzten Tage. So zeigten ihn auch die beiden Photos, die er einst dem RGV-Museum in Hirschberg mit einem Satz Spanschachteln übersandte. So sehen wir ihn auch auf einer schönen Radierung von Erich Fuchs, Hain. Wie mancher würde sich freuen, wenn er solch ein Andenken besäße. Es wäre ihm nicht nur eine Erinnerung an den letzten Schachtelmacher und das liebe Hartenberg; es wäre ein Stück Heimat.




Entnommen aus „Schles.Bergwacht“ 1955

                                                  

 
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